Zeitschrift für Palliativmedizin 2014; 15 - PA24
DOI: 10.1055/s-0034-1374249

Begleitung von Menschen mit einer geistigen und mehrfachen Beeinträchtigung Vom Unbekannten zum Bekannten – Vom Fremden zum Vertrauten

B Hartmann 1
  • 1Hospizkultur und Palliative Care, Berglern, Deutschland

Nach den Ermordungen von Menschen mit einer geistigen Behinderung vor und während des Nationalsozialismus begann mit der Gründung einer Elterninitiative 1958 ein neuer Denkansatz im Umgang mit geistig beeinträchtigten Menschen. Dem zur Folge entwickelten sich seit den 60ger Jahren aus großen Anstaltsformen kleinere Wohneinheiten. Mitarbeitende aus vorwiegend pädagogischen Berufsgruppen unterstützen hier in einer möglichst selbstständigen und selbstbestimmten Alltags- und Freizeitgestaltung. Inzwischen feiern die ersten Bewohnerinnen und Bewohner ihren neunzigsten Geburtstag. Gleichzeitig wird das Personal dieser Einrichtungen vermehrt mit Erkrankungen und Todesfällen konfrontiert.

Das Ergebnis: Stationäre und ambulante Anbieter im Gesundheitswesen registrieren eine zunehmende Anfrage aus Wohneinrichtungen für Menschen mit einer geistigen und mehrfachen Behinderung.

Für die angefragten Unterstützungspartner ist diese neue Situation gepaart mit Fragen und Unsicherheiten:

Welche Bedürfnisse haben Menschen mit einer geistigen Behinderung in einer Erkrankung und im Sterben?

Ist deren Schmerzempfinden vergleichbar mit dem der Gesamtbevölkerung?

Wie verhalten sich die Erkrankten, die Mitbewohnerinnen und Mitbewohner in solchen Ausnahmezuständen?

Wer arbeitet dort – und was erwarten diese von mir?

Wie kann ich die Menschen mit einer geistigen Behinderung verstehen?

Was muss ich tun, damit sie mich verstehen?

Wie offen darf und kann ich sein?

Unterstützungspartner in der palliativen und hospizlichen Begleitung sind aufgefordert, sich mit diesen neuen Herausforderungen auseinander zu setzen. Wohl wissend, dass dies Mut voraussetzt, ermunterte "Saitenwind"- eine Musikgruppe aus Frauen und Männer mit einer geistigen Behinderung- auf den Hospiztagen 2012 in Hofgaismar u.a. mit folgenden Liedzeilen:

„Aufeinander zu gehen, voneinander lernen, miteinander umzugehen". Eine Einladung an uns alle, die wir ein Sterben in vertrauter Umgebung ermöglichen wollen.