Zeitschrift für Palliativmedizin 2014; 15 - PA42
DOI: 10.1055/s-0034-1374267

Autonomie und Vertrauen am Lebensende aus der klinisch-praktischen Perspektive von Ärzten und Pflegekräften

R Krieger 1, 2, S Owusu Boakye 3, F Nauck 3, B Alt-Epping 3, G Marx 3
  • 1Klinik für Palliativmedizin, Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, Deutschland
  • 2Institut für Ethik und Geschichte der Medizin, Universitätsmedizin, Göttingen, Deutschland
  • 3Klinik für Palliativmedizin, Universitätsmedizin, Göttingen, Deutschland

In der modernen Medizin gilt Autonomie als etabliertes Konzept, während Vertrauen im Zusammenhang mit Paternalismus stehend und daher als wenig zeitgemäß gilt. Beide Konzepte sind gerade dann von großer Bedeutung, wenn Ärzte und Pflegende Entscheidungsträger sind oder im Sinne einer partizipativen Entscheidungsfindung informieren und begleiten. Bislang ist kaum untersucht, wie Behandler Autonomie und Vertrauen konzeptionieren, welche Bedeutung sie ihnen beimessen und wie sie diese im klinischen Interaktionsprozess verwirklichen.

Qualitatives Studiendesign: Fokussierte Gruppendiskussionen mit Ärzten und Pflegekräften; videographische Aufnahme, wörtliche Transkription und interpretative Auswertung nach der Grounded Theory.

Für Ärzte ist patientenseitiges Grundvertrauen eine wichtige Voraussetzung ihres professionellen Handelns. Für Pflegende ist die pflegerisch-körperliche Nähe Ausgangspunkt für eine vertrauensvolle Interaktion. Zeit, um den jeweiligen Patienten als Mensch kennenzulernen, ihn dort abzuholen wo er steht und Sicherheit zu vermitteln, sind wesentliche Anliegen der Behandler zur Stärkung von Vertrauen und Autonomie. Durch authentisches und wertschätzendes Verhalten ihren Patienten gegenüber versuchen sie deren Autonomie zu fördern. Den Willen zu erfragen und Offenheit zu vermitteln, schafft individuelle Nähe und einen vertrauensvollen Umgang wodurch Entscheidungsprozesse vereinfacht werden können. Patientenseitiges Vertrauen kann aber als Belastung erlebt werden, wenn zu viel Verantwortung an die Behandler abgegeben wird.

Personales Vertrauen offenbart sich einerseits an die Persönlichkeit gebunden, andererseits an die fachliche Kompetenz. Erfahrung und Wissen des Behandlers kann zur individuellen Vertrauensbildung und damit gleichzeitig zu einem Mehr an patientenseitiger Entscheidungsautonomie beitragen. Autonomie und Vertrauen als personenbezogene Komponenten sollten im klinischen Alltag als gleichwertig in der Interaktion mit Patienten verstanden werden.