Zeitschrift für Palliativmedizin 2014; 15 - PD242
DOI: 10.1055/s-0034-1374413

Prospektive versus retrospektive Messung von Veränderungen in der Lebensqualität: Können wir Verzerrungen durch Recall Bias und Response Shift unterscheiden?

C Blome 1, M Augustin 1
  • 1Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Competenzzentrum Versorgungsforschung in der Dermatologie (CVderm), Hamburg, Deutschland

Fragestellung: Ein zentrales Ziel der Medizin ist es, die Lebensqualität von Patienten zu verbessern. Änderungen der Lebensqualität können prospektiv (d.h. Erhebung vor und nach Behandlung) oder retrospektiv (d.h. rückblickende Erhebung nach Behandlung) gemessen werden. Diese beiden Ansätze führen jedoch oft zu unterschiedlichen Ergebnissen. Dabei ist unklar, welcher Ansatz valider ist: Prospektive Erhebungen können durch Response-Shift-Effekte (verändertes Verständnis der Antwortskala) verzerrt sein, retrospektive Erhebungen durch Recall-Bias-Effekte (Fehleinschätzung früherer Lebensqualität). Wir fragen danach, wie man das Ausmaß der beiden Verzerrungen empirisch bestimmen kann, um zu beurteilen, ob prospektive oder retrospektive Messungen valider sind.

Methodik: Wir geben einen Überblick über (a) Verzerrungseffekte bei prospektiver und retrospektiver Lebensqualitätsmessung, (b) Benennung und Definition der Verzerrungseffekte in der Literatur und (c) Ansätze, die Verzerrungen zu messen.

Ergebnis: Die verschiedenen Verzerrungsarten werden uneinheitlich definiert. Hinzu kommt, dass einige Autoren bei der Interpretation von Lebensqualitätsdaten ausschließlich Response-Shift-Effekte berücksichtigen, andere ausschließlich Recall-Bias-Effekte. Auch wird häufig nicht klar zwischen Messfehlern und wahrer Lebensqualitätsänderung unterschieden. Die bislang entwickelten Ansätze, beide Verzerrungseffekte zu unterscheiden, beruhen aus unserer Sicht auf zu weitreichenden Annahmen und sind daher noch unzureichend.

Schlussfolgerung: In der Diskussion um die Validität prospektiver versus retrospektiver Lebensqualitätsmessung fehlt es an einer klaren Begriffsdefinition, insbesondere von "Response Shift" und "Recall Bias". Wir schlagen Definitionen vor und empfehlen eine Berücksichtigung beider Effekte in der Lebensqualitätsmessung. Ein Konsens über die Definitionen kann dazu beitragen, eine Methode zu finden, die Verzerrungsarten zuverlässig zu unterscheiden.