Zeitschrift für Palliativmedizin 2014; 15 - PD292
DOI: 10.1055/s-0034-1374463

Pharmakovigilanzforschung mit GKV-Routinedaten: Wie hoch ist das Risiko für Agranulozytose in Deutschland?

S Klose 1, 2, M Schwaninger 3, F Verheyen 2, R Linder 2
  • 1Universität zu Lübeck, Lübeck, Deutschland
  • 2WINEG – Wissenschaftliches Institut der TK für Nutzen und Effizienz im Gesundheitswesen, Hamburg, Deutschland
  • 3Universität zu Lübeck, Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Lübeck, Deutschland

Hintergrund: Metamizol wird bei akuten und chronischen Schmerzen, Koliken der Gallen- oder ableitenden Harnwege und zur Fiebersenkung eingesetzt. Die Agranulozytose ist eine UAW (unerwünschte Arzneimittelwirkung) von Metamizol. Dennoch wird das rezeptpflichtige Metamizol heute deutschlandweit dreifach häufiger verordnet als noch vor 10 Jahren. Die Motivation dieser Studie ist, das Risiko von Metamizol für eine Agranulozytose anhand von GKV-Routinedaten der Techniker Krankenkasse zu ermitteln.

Methode: In die Untersuchung eingeschlossen wurden alle Versicherten der Techniker Krankenkasse, an welche im Zeitraum 1.1.2010 bis 30.6.2012 Metamizol abgegeben wurde und für die im Jahr zuvor eine Diagnose Agranulozytose weder ambulant noch stationär dokumentiert war. Der Nachbeobachtungszeitraum umfasste das Quartal der Abgabe sowie die zwei Folgequartale. Das Risiko wurde mit dem einer Kontrollgruppe verglichen (Propensity Score Interval Matching mittels Alter, Geschlecht und Elixhauser-Komorbiditätsindex).

Ergebnisse: Es wurden 615 476 Metamizolnutzer identifiziert und mit 664 660 Nichtexponierten gepaart, darunter war für 570 bzw. 72 Versicherte eine arzneimittelinduzierte Agranulozytose dokumentiert. Für diese Diagnosen zeigte sich in der Metamizol Gruppe ein deutlich erhöhtes Risiko: Odds-Ratio (OR) 8,56, 95% Konfidenzintervall [6,98, 10,49], p-Wert < 0,0001, 1 Fall auf 1080 Abgaben. Im Krankenhaus wurden 405 vs. 45 Versicherte behandelt, OR 9,72 [7,57, 12,49], p < 0,0001. Innerhalb eines halben Jahres nach dem Krankenhausaufenthalt sind 71 vs. 9 Versicherter verstorben, die Letalität in der Metamizol-Gruppe beträgt 17,5%, OR 8,52 [4,79, 15,17], p < 0,0001.

Diskussion: Das ermittelte Risiko einer Agranulozytose ist vergleichbar mit dem einer schwedischen Studie (1:1439 Verordnungen). Weiterführende detailliertere Analysen erscheinen geeignet, um das Nutzen-Schaden-Verhältnis für Metamizol unter Beachtung der Therapiealternativen und ihrer jeweiligen UAW neu zu bewerten.