Der Klinikarzt 2014; 43(5): 223
DOI: 10.1055/s-0034-1382800
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Wann wird mein Krankenhaus privatisiert?

Achim Weizel
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Publication Date:
03 June 2014 (online)

„Krankenhaus Offenbach an Sana für einen symbolischen Euro verkauft“, derartige Meldungen sind in den letzten Jahren schon fast Routine geworden und zeigen einen deutlichen Trend auf, der Anfang der 90er begann. Seit dieser Zeit fällt der Anteil der öffentlichen und frei gemeinnützigen Krankenhausträger kontinuierlich, der Anteil der privaten Träger steigt dementsprechend und liegt jetzt bei etwa 25 %. Hierbei sind extreme regionale Unterschiede zu registrieren. So beträgt der Anteil der privaten Krankenhausträger in Hamburg eindrucksvolle 70,6 %, in Mecklenburg Vorpommern 50 % und in Nordrhein Westfalen 11,7 %.

Die Gründe für die zunehmende Privatisierung liegen auf der Hand: Auf der einen Seite steigen die Kosten für Personal, Haftpflichtversicherungen und Ausstattung, an die nicht zuletzt von den Patienten immer höhere Anforderungen gestellt werden. Hier halten die Erstattungen durch die Kostenträger in der Regel nicht mit, damit wird es immer schwieriger, kostendeckend zu arbeiten. Nach Schätzungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft schlossen 51 % der deutschen Krankenhäuser 2012 mit einem Verlust ab, bei 13 % besteht Insolvenzgefahr. Kommunen und frei gemeinnützige Träger sind unter diesen Umständen oft nicht mehr willens, oder auch finanziell nicht mehr in der Lage, ihre Häuser zu erhalten. Krankenhausschließungen und Fusionen sind an der Tagesordnung, so hat die Zahl der Krankenhäuser vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2012 um etwa 10 % von 2242 auf 2017 abgenommen, die Zahl der Betten von 559 000 auf 501 000, dies bei einer Zunahme der Fallzahlen von 17,3 Mio. auf 18,6 Mio. und einem Rückgang der Verweildauer von 9,7 auf 7,6 Tage (alle Zahlen: Deutsche Krankenhausgesellschaft). Die Konsequenzen für die Mitarbeiter sind täglich vor Ort spürbar.

Diesen eher negativen Aspekten stehen auf der anderen Seite Aussagen und Fakten gegenüber, die den Gesundheitsmarkt als einen absoluten Wachstumsmarkt mit guten finanziellen Aussichten für Investoren betrachten.

Der Erfolg der privaten Krankenhaus-Anbieter gibt diesen Prognosen Recht. Im Gesundheitsmarkt kann in der Tat wirtschaftlich erfolgreich gearbeitet werden. In der Presse liest es sich dann so: „Privatisiertes Klinikum Offenbach macht weniger Schulden“.

Die großen Anbieter haben die Chancen dieses Marktes erkannt, der Gesundheitsmarkt ist heiß umkämpft. So waren in den letzten Monaten ausführliche Berichte zu finden über die – nach vielen Schwierigkeiten – erfolgreiche Übernahme der Rhön Klinikum AG durch Helios, einer Tochter von Fresenius. Diese Gruppe wird nach der Übernahme 117 Kliniken betreiben, damit einen Marktanteil von 6–7 % am gesamten Krankenhausmarkt haben und ist damit der größte private Klinikbetreiber Europas. Andere Klinikgruppen wie Asklepios, Sana, SRH, um nur einige zu nennen, sind ebenfalls auf Expansionskurs. Neben Krankenhäusern beteiligen sich die Krankenhausketten auch an Medizinischen Versorgungszentren, und auf dem Markt der ambulanten Dialysebetreiber ist ebenfalls eine zunehmende Übergabe von privat betriebenen Dialysen an kommerzielle Betreiber zu registrieren.

Die großen Ketten arbeiten profitabel. Hierfür gibt es viele Gründe. Selbstverständlich können größere wirtschaftliche Einheiten noch kostengünstiger einkaufen als die Einkaufsverbände, denen heute fast alle Krankenhäuser angehören. Erfahrungsgemäß sind auch die Entscheidungswege innerhalb der Verwaltungen der Klinikketten kürzer als in vielen kommunalen Häusern. In der Regel wird nach der Übernahme erst einmal großzügig in Ausstattung investiert. Um trotzdem kostendeckend oder profitabel zu arbeiten, wird meist eine sehr strenge Personalpolitik betrieben, deshalb verwundert es nicht, wenn einige Zeit nach der Übernahme zu lesen ist: „Sana entlässt im Krankenhaus Offenbach 120 Personen im Service-Bereich“. Der Erfolg hat seinen Preis. Die Patienten und die Politik müssen sich aber darüber im Klaren sein, dass die Kosteneinsparungen immer zulasten des Personals der Krankenhäuser gehen. Die Einsparungen, die durch Ausgliederungen aus den Tarifen oder Abbau von Stellen erwirtschaftet werden, sind immer höher als Einsparungen im Einkauf.

Bei Betrachtung der Situation auf dem Gesundheitsmarkt verfestigt sich der Eindruck, dass der Vormarsch der privaten Krankenhausträger nicht aufzuhalten ist. Die Konzentration auf diesem Bereich wird auch weitergehen. Kommunale und frei gemeinnützige Träger werden alle wirtschaftlichen Möglichkeiten der Ersparnis ausnützen müssen, um zu überleben, um nicht eines Tages vor der Frage zu stehen: Wann wird mein Krankenhaus privatisiert (oder geschlossen)?