Gesundheitswesen 2014; 76 - A2
DOI: 10.1055/s-0034-1386852

Prävention von Herz-Kreislauf Erkrankungen im Setting Betrieb – Berücksichtigung von Risikofaktoren aus Lebensstil und Arbeit

E Backé 1, U Latza 1
  • 1Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Berlin

Einleitung/Hintergrund: Für die Entwicklung einer Atherosklerose-bedingten Herz-Kreislauf Erkrankung (HKE) spielen sowohl Lebensstilfaktoren (Gesundheitsverhalten) als auch arbeitsbedingte Risikofaktoren wie z.B. Schichtarbeit [1], überlange Arbeitszeiten [2], psychosoziale Belastungen [3] oder chemische Belastung [4] (Feinstaub) eine Rolle. Für die Wirkung der arbeitsbedingten Risikofaktoren sind folgende Mechanismen beschrieben: 1. eine kurzfristige Erhöhung des Blutdrucks und Veränderungen des Hormon- und Immunsystems, die langfristig den Prozess der Atherosklerose fördern, 2. Veränderungen des Gesundheitsverhaltens aufgrund der Arbeitsbelastung [5]. Um die relative Bedeutung und das Präventionspotential einzelner arbeitsbedingter Risikofaktoren und der Lebensstil resultierenden Risikofaktoren abzuschätzen, kann die populationsattributable Risikofraktion (PAR%) berechnet werden. In dem Beitrag sollen Abschätzungen des arbeitsbedingten Anteils für ausgewählte arbeitsbedingte Risikofaktoren Angaben von Betriebsärzten zur Bedeutung arbeitsbedingter Risikofaktoren gegenüber gestellt werden.

Methoden: Zur Abschätzung der Risikofraktion [6] wurde das relative Risiko zu ausgewählten Risikofaktoren systematisch aus aktuellen Übersichtsarbeiten (systematischen Reviews, Meta-Analysen) und aktuellen Einzelstudien abgeschätzt und Angaben zur Häufigkeit der Risikofaktoren in Deutschland aus verschiedenen Surveys (BIBB-BAuA [7], GEDA [8], Mikrozensus [9]) entnommen. In Experteninterviews mit Betriebsärzten wurde erfragt, welche arbeitsbedingten Risikofaktoren aus Sicht der Praxis in der betrieblichen Gesundheitsförderung als relevant für die Entwicklung von HKE gesehen werden und welche Präventionsmöglichkeiten daraus abgeleitet werden [10].

Ergebnisse: Beispielhaft, ergeben sich für die ausgewählten arbeitsbedingten Risikofaktoren Schätzungen für die PAR% für HKE in Größenordnungen von 4 – 8% (Schichtarbeit: best case 3,5%, worst case 4,6%, überlange Arbeitszeiten: best case 4,9%, worst case 7,5%). Der Vergleich mit den PAR % für Lebensstilfaktoren zeigt, dass für Rauchen die PAR% etwa um einen Faktor 10höher liegt, Bewegungsmangel (definiert als keine oder weniger als 2,5h/Woche körperliche Aktivität) jedoch der Größenordnung der für die Faktoren Schichtarbeit und überlange Arbeitszeiten abgeschätzten PAR% entspricht. Von Betriebsärzten wurden in Zusammenhang mit HKE vor allem Schichtarbeit und psychosoziale Arbeitsbelastungen in den folgenden Facetten thematisiert: Zeitdruck, überlange Arbeitszeiten, hohe Verantwortung, Umstrukturierung, Angst vor Arbeitsplatzverlust, Konflikte mit Kollegen und Kunden sowie fehlende Wertschätzung durch Vorgesetzte. In der Reduktion von „Stress“ wurden die größten gesundheitlichen Potentiale gesehen. Die von den Betriebsärzten genannten Präventionsmaßnahmen bezogen sich zu einem großen Teil auf individuelle Unterstützungsangebote zur Veränderung des Lebensstils und dem Ermöglichen eines besseren „Copings“ mit Stress. Möglichkeiten der Verhältnisprävention (z.B. Veränderungen der Arbeitsorganisation) wurden dagegen als unterschiedlich aussichtsreich und bedeutsam eingeschätzt.

Schlussfolgerung: Bei Beschäftigten, die häufig durch die oben genannten arbeitsbedingten Risikofaktoren belastet sind, sind Präventionskonzepte, die sowohl Risikofaktoren aus dem Bereich Lebensstil als auch aus dem Arbeitsumfeld berücksichtigen, sinnvoll. Die Verknüpfung von individuellen Präventionsmaßnahmen (Lebensstilberatung, Stressmanagement) mit Maßnahmen der Verhältnisprävention (z.B. Veränderungen von Arbeitszeit und Arbeitsorganisation) kann die Möglichkeiten der Prävention im Betrieb erweitern.