Gesundheitswesen 2014; 76 - A8
DOI: 10.1055/s-0034-1386858

Prävalenz psychisch belastender Arbeitsmerkmale und Zusammenhänge zu Beanspruchungsreaktionen bei Pflegekräften in der Altenpflege

T Beutel 1, D Frey 1, K Kayser 1, S Letzel 1, C Heidrich 2, S Kuhn 3, LC Escobar Pinzon 1
  • 1Institut fuer Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz
  • 2Unfallkasse Rheinland-Pfalz, Andernach
  • 3Berufsgenossenschaft Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Hamburg

Einleitung/Hintergrund: Die Tätigkeit von Pflegekräften ist mit einer hohen Arbeitsbelastung und emotionaler Beanspruchung assoziiert [1]. Mitarbeiter in der Pflege weisen ein erhöhtes Risiko für eine depressive Störung auf [2], ebenso stellen Rückenschmerzen (low back pain) bei Pflegekräften international ein relevantes Thema dar [3]. Rückenschmerzen und Depressionen treten zudem häufig komorbid auf [4]. Verschiedene arbeitsbezogene Merkmale (z.B. Monotonie, hohe emotionale Belastung, fehlende Rückmeldung) werden als Risikofaktoren für Rückenschmerzen betrachtet [5]. In der vorliegenden Studie soll die Prävalenz belastender Arbeitsmerkmale von Pflegekräften in der Altenpflege dargestellt werden und im Hinblick auf Beanspruchungsreaktionen (Depressivität, chronische Rückenschmerzen) untersucht werden.

Daten/Methodik: Es wurden Querschnittsdaten von Pflegekräften (n = 160) der Altenpflege aus Einrichtungen in Rheinland-Pfalz erhoben. Die Arbeitsmerkmale zur psychischen Belastung wurden mittels des BGW miab erhoben, für welchen eine 5-stufige Likert-Skala verwendet wurde. Aus dem Erhebungsinstrument wurden die Skalen „Quantitative Arbeitsbelastungen“ und „Qualitative Arbeitsbelastungen“ verwendet. Als Beanspruchungsreaktionen wurden Depressivität und chronische Rückenschmerzen definiert. Depressivität wurde mittels eines validierten Zwei-Item-Screening (PHQ-2) erfasst und bezieht sich auf den Zeitraum der letzten zwei Wochen. Chronische Rückenschmerzen wurden mit einem Item erfragt, wobei ein Zeitraum von drei Monaten oder länger anhaltender fast täglicher Rückenschmerzen definiert wurde. Die Auswertung erfolgte mittels SPSS Version 21 deskriptiv sowie hinsichtlich der chronischen Rückenschmerzen varianzanalytisch und bezüglich der Depressivität mittels einer Korrelationsanalyse (p < 0,05) sowie einer schrittweisen Regressionsanalyse (p < 0,05).

Ergebnisse: 83,8% (n = 134) der Pflegekräfte waren weiblich. Die quantitativen Arbeitsbelastungen waren signifikant höher als die qualitativen Arbeitsbelastungen (p < 0,01). 10,7% der Befragten lagen beim PHQ-2 über dem Cut-Off-Wert (> 3), was auf eine affektive Störung hinweist. 45,1% der Stichprobe gaben an, unter chronischen Rückenschmerzen zu leiden. Die quantitativen (QA) und qualitativen Arbeitsbelastungen (QuA) zeigten untereinander moderate Zusammenhänge (QA*QuA r = 0,49**). Die qualitativen Arbeitsbelastungen wiesen zu den Beanspruchungsreaktionen etwas höhere Zusammenhänge auf (QuA*Depressivität: r = 0,34**/QuA*chronische Rückenschmerzen: η= 0,27**) als die quantitativen Arbeitsbelastungen (QA*Depressivität: 0,26**/QA*chronische Rückenschmerzen: η= 0,19**). Im Regressionsmodell ergab die Berücksichtigung der quantitativen Arbeitsbelastungen keine inkrementelle Varianzaufklärung über die qualitativen Arbeitsanforderungen hinaus.

Diskussion/Schlussfolgerung: Die Arbeitsmerkmale zur psychischen Belastung waren bei den betrachteten Pflegekräften insbesondere hinsichtlich der quantitativen Arbeitsbelastungen relativ hoch ausgeprägt. Die qualitativen Arbeitsbelastungen wiesen jedoch höhere Zusammenhänge zu den betrachteten Beanspruchungsreaktionen auf (Depressivität, chronische Rückenschmerzen). Da es sich um eine Querschnittsanalyse handelt, sind Aussagen über kausale Zusammenhänge nicht möglich. Im Hinblick auf die Belastungs- und Beanspruchungsmaße ist jedoch von bidirektionalen Zusammenhängen auszugehen.

Für Präventionsangebote erscheint es als sinnvoll, verstärkt die qualitativen Arbeitsanforderungen zu betrachten und diese hinsichtlich der Beanspruchungsreaktionen im Längsschnitt zu untersuchen. Durch eine dezidierte Analyse qualitativer Arbeitsanforderungen ließen sich gezieltere Ansatzpunkte für Präventionsmöglichkeiten v.a. auf der Verhaltensebene ableiten.