Gesundheitswesen 2014; 76 - A24
DOI: 10.1055/s-0034-1386874

Das neue Bevölkerungsstatistikgesetz und seine Folgen für die kommunale Gesundheitsberichterstattung (GBE)

J Butler 1
  • 1Bezirksamt Mitte von Berlin, Berlin

Hintergrund: Am 20.04.2013 wurde – relativ unbemerkt von der Fachöffentlichkeit – das Bevölkerungsstatistikgesetz (BevStatG) vom deutschen Bundestag verabschiedet. Von außen betrachtet war es an die Zeit, dass ein Gesetz von 1957 rundum erneuert werden sollte. Hierbei ging es darum, die Statistik der „natürlichen Bevölkerungsbewegungen“ (Geburten und Sterbefälle), Ehe- bzw. Partnerschaftsschließungen und -auflösungen sowie Wanderungen und die Bevölkerungsfortschreibung an die Erfordernisse der Gegenwart anzupassen.

Folgen für die kommunale GBE. Um das Positive vorwegzunehmen: Das Bevölkerungsstatistikgesetz ist das erste Bundesgesetz, dass der Tatsache Rechnung trägt, dass allein die Staatsangehörigkeit nicht ausreicht, um die Lebensumstände der Bevölkerung in Deutschland im 21. Jahrhundert zu umreißen – insbesondere bei neugeborenen Kindern (vgl. Butler et al. 2007). Die Erhebung der Geburtsort der Eltern bei Neugeborenen wird ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Aussagekraft dieser Statistik sein. Die Operationalisierung der Herkunft bei Sterbefälle jedoch (das eigene Geburtsland), wird nur bei Verstorbenen mit einer eigenen Migrationsgeschichte hilfreich sein. Just die neugeborenen Kinder z.B., deren Migrationshintergrund in der Geburtenstatistik festgestellt werden kann, würden im ersten Lebensjahr als deutsche Säuglinge sterben. Hier wären die Geburtsländer der Eltern als Migrationsmerkmal ebenfalls angebracht. Auf der negativen Seite führt erstens der Verzicht auf die Erhebung des Gewichts und der Körpergröße bei Lebend- und Totgeborenen dazu, dass wichtige epidemiologische Kennziffern für die neonatale Gesundheit eines Gebietes ersatzlos wegfallen. Der Hinweis in diesem Zusammenhang auf „andere Datenquellen“ zeigt einen mangelnden Sachverstand bei den Gesetzmachern, da keine solche Quelle für die GBE zur Verfügung steht. Bei der Geburten- und Gestorbenenstatistik sowie bei Wanderungen werden lediglich der Wohnort und die Postleitzahl der betroffenen Personen erhoben. Die Tatsache, dass der Vorschlag des Bundesrates, die Wohnadresse als Hilfsmerkmal zu benutzen, nicht angenommen wurde, bedeutet eine vertane Chance in Hinblick auf die Ermöglichung von kleinräumigen Analysen in größeren Ballungsräumen. Berlin z.B. mitsamt seinen 12 Bezirken – mit Bevölkerungszahlen von ca. 230.000 bis 360.000 Einwohnern – ist im Sinne des Gesetzes ein einziger Wohnort. In der amtlichen Statistik wird es ab 2014 für die Berliner Bezirke weder eine Geburten- noch eine Todesursachenstatistik geben. Eine weitere gravierende Folge der Tatsache, dass die Angaben zu Geburten- und Gestorbenen (sowie Wanderungen) für die Berliner Bezirke seit Anfang 2014 fehlen, auch wenn das Gesetz irgendwann geändert werden soll, ist, dass eine Bevölkerungsfortschreibung bis zum nächsten Zensus nicht mehr möglich sein wird. Da diese bisher als Nenner für die Hochrechnung der Ergebnisse des Mikrozensus für die Berliner Bezirke verwendet wurde, könnte diese wichtige Datenquelle für die kommunale GBE in Berlin ebenfalls gefährdet sein.

Ausblick: Momentan (Mitte April) wird in einer Arbeitsgruppe im Innenministerium doch über eine Revision des neuen Gesetzes diskutiert. Nach Informationen des Autors steht schon die Erhebung der Wohnanschrift, wie der Bundestag es vorgeschlagen hatte, als Hilfsmerkmal im Gespräch. Sinnvoll wäre jedoch, wenn die Migrationsmerkmale bei Sterbefällen ergänzt und die nach neuem Gesetz fehlenden Angaben bei den Geburten wieder eingeführt werden könnten.