Gesundheitswesen 2014; 76 - A36
DOI: 10.1055/s-0034-1386886

Arbeitsbelastungen in der stationären Altenpflege unter besonderer Berücksichtigung der Pflege dementer Menschen – Betriebliches Gesundheitsmanagement zur Stärkung der Gesundheitspotentiale von Pflegekräften

U Dietrich 1, M Rößler 1, W Kirch 1
  • 1Technische Universität Dresden, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Forschungsverbund Public Health Sachsen und Sachsen-Anhalt, Dresden

Einleitung/Hintergrund: Neben den Belastungen, denen Mitarbeiter in der stationären Altenpflege ausgesetzt sind, kommen im Umgang mit dementen Menschen zusätzliche Herausforderungen auf die Pflegekräfte zu. Neben aggressivem Verhalten stellen auch andere herausfordernde Verhaltensweisen eine Belastung für die Mitarbeitenden dar, besonders beanspruchend erlebt werden die Kommunikation und der Umgang mit verhaltensauffälligen Demenzkranken. Die Arbeitsbelastungen können zu verschiedenen Auswirkungen bei den Pflegekräften führen, darunter somatische Beschwerden, psychische Beeinträchtigungen, etc. Aus diesem Grund wurden die Unterschiede und Einflussfaktoren hinsichtlich subjektiv erlebter Belastung und Beanspruchungsfolgen, gesundheitsförderlicher Ressourcen sowie belastender Verhaltensweisen dementer Menschen und den damit verbundenen Emotionen der Pflegekräfte in stationären Pflegeinrichtungen in Bayern untersucht. Ebenso wurden die Unterschiede und Einflussfaktoren hinsichtlich der Angebote der betrieblichen Gesundheitsförderung bzw. der Maßnahmen zur Förderung und zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit sowie deren Nutzung und die Einflüsse auf das subjektiv erlebte Wohlbefinden der Pflegekräfte analysiert. Im besonderen Fokus standen die Bedingungen bzw. Einflussfaktoren, die für das Gelingen von Arbeit und Gesunderhaltung der Mitarbeiter relevant sind, um Ansätze für das Management von stationären Altenpflegeeinrichtungen ableiten zu können.

Daten/Methodik: Es wurde eine Stichprobe aus allen zum Stichtag bekannten stationären bayerischen Pflegeeinrichtungen, die sowohl über einen offenen als auch einen geschlossenen Bereich verfügen (Ngesamt: 319 Einrichtungen), gezogen. Für die Auswertung standen 805 anonym und freiwillig ausgefüllte Fragebögen aus 53 Einrichtungen, die in die Teilnahme eingewilligt haben, zur Verfügung. Zusätzlich konnten 31 Experteninterviews mit Leitungskräften der teilnehmenden Einrichtungen in die Auswertung einbezogen werden. Die Datenerhebung erfolgte von 04/2010 bis 01/2011. Die Auswertung der Daten erfolgte mit deskriptiven und induktiven statistischen Methoden (lineare und logistische Multilevelanalysen).

Ergebnisse: Auf Basis der Modellberechnungen der Multilevelanalysen können folgende Aussagen getroffen werden: Am bedeutsamsten für die erlebte subjektive Belastung und Beanspruchung, gemessen mit vier Gesundheitsindikatoren (somatische Beschwerden, psychische Erschöpfung, Gereiztheit/Belastetheit, psychische Befindensbeeinträchtigung) sind Variablen auf der Individualebene (z.B. Alter, Geschlecht, Funktion) sowie der Stationsebene (z.B. Zeitdruck, Arbeitsplatzunsicherheit, Arbeitsorganisation). Variablen auf Einrichtungsebene (z.B. Fluktuation, Überstunden pro Kopf, vorhandene Gefährdungsbeurteilung) haben kaum einen Einfluss. Eine regelmäßige Nutzung der Angebote des betrieblichen Gesundheitsmanagements resultiert bei den Mitarbeitern in einer signifikant geringeren subjektiv erlebten Belastung und Beanspruchung im Vergleich zu den Mitarbeitern, die diese Angebote nicht nutzen. Für die regelmäßige Nutzung der Angebote des BGM sind die Variablen „Alter“, „männlich“, „Hilfskraft ohne pflegerische Berufsausbildung“, „Arbeitsinhalte“, „Arbeitsplatzunsicherheit“ und „Information/Beteiligung“ sowie die Anrechnung der dafür aufgewendeten Zeit als Arbeitszeit von besonderer Bedeutung.

Diskussion/Schlussfolgerung: Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten, wie Führungskräfte Einfluss auf das subjektive Empfinden von Belastung und Beanspruchung der Mitarbeiter und die Gesunderhaltung durch Nutzung der Angebote des betrieblichen Gesundheitsmanagements nehmen können. Durch gezielte Beeinflussung der identifizierten Faktoren durch die Führungskräfte, v.a. auf der Stationsebene, kann das Maß der subjektiv erlebten Belastung und Beanspruchung sowie die Wahrscheinlichkeit der Nutzung von Angeboten der betrieblichen Gesundheitsförderung positiv beeinflusst werden. Neben der Gestaltung der Arbeitsbedingungen und der Angebote des betrieblichen Gesundheitsmanagements sind insbesondere der Umgang mit herausforderndem Verhalten bei Menschen mit Demenz und das Führungsverhalten zu beachten. Diese Chancen gilt es zu nutzen, um die Mitarbeiter langfristig arbeitsfähig und -willig zu erhalten.