Gesundheitswesen 2014; 76 - A87
DOI: 10.1055/s-0034-1386937

Flexibilisierung, Erreichbarkeit und Entgrenzung in der Arbeitswelt: Entwicklung eines betrieblichen Konzepts zur Prävention psychischer Fehlbeanspruchungen und Stärkung psychischer Gesundheit (FlexA)

S Kolb 1, E Palm 2, B Heiden 3, N Meyer 1, P Stadler 1, B Herbig 3, G Lüke 4, D Nowak 3, J Glaser 2, C Herr 1
  • 1Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, München
  • 2Institut für Psychologie, Universität Innsbruck, Innsbruck
  • 3Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Klinikum der LMU München, München
  • 4Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern, München

Hintergrund: Arbeitsbedingungen sind zunehmend geprägt von Anforderungen wie Flexibilität und permanenter Erreichbarkeit, die eine Entgrenzung von Arbeits- und Privatleben im Hinblick auf zeitlich-räumliche Aspekte mit sich bringen. In vielen Bereichen können Beschäftigte prinzipiell zu jeder Zeit und von jedem Ort aus arbeiten. Dies kann zu möglichen positiven, aber auch negativen Effekten für Unternehmen (z.B. verstärkte Kundenorientierung vs. reduzierte Unternehmensbindung) und Beschäftigte (z.B. bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf vs. Selbstüberforderung) führen. Ziel dieser Studie ist es daher neben der Erfassung der Verbreitung, Wahrnehmung und Bewertung zeitlicher und räumlicher Flexibilität ein betriebliches Handlungskonzepte zur Prävention psychischer Fehlbeanspruchungen und Stärkung psychischer Gesundheit zu entwickeln.

Methodik: Als Zielgrupppe sollten 5 – 10 bayerische KMU-Betriebe unterschiedlicher Größe und Branchen aus Gebieten unterschiedlicher Struktur dienen. Nach einem systematischen Literaturreview zu dem Thema „Flexibilisierung, Erreichbarkeit und Entgrenzung in der Arbeitswelt“ wird eine Online-Befragung von Betriebsangehörigen u.a. zu den Dimensionen zeitlich-räumliche Flexibilität, Ausmaß der zusätzlichen Arbeitszeit, Erreichbarkeit und Entgrenzung sowie Auswirkungen auf das Erholungs- und Freizeitverhalten, das subjektive Wohlbefinden, gesundheitliche Beschwerden und psychische Beanspruchungen durchgeführt. Basierend auf diesen Ergebnissen werden ressourcenorientierte verhältnis- und verhaltenspräventiver Handlungskonzepte auf Basis der Befragungsergebnisse in Workshops mit den Netzwerkakteuren entwickelt und die Maßnahmen in ausgewählten, interessierten Unternehmen implementiert.

Ergebnisse: Für die Literatursuche wurden die Datenbanken medline, psycINFO, SocINDEX und Business Source Premier ausgewählt. Durch die Kombination von den Begriffen „job, employment“ mit einerseits Begriffen zur Erreichbarkeit (z.B. „mobile device“), Entgrenzung (z.B. „boundary“) und Flexibilisierung (z.B. „telework“) sowie zum Outcome (z.B. „work performance“, „wellbeing“, „stress“) konnten ca. 7700 Studien gefunden werden. Die abstracts dieser Studien werden momentan anhand der vorab festegelegten Ein- und Ausschlusskriterien gesichtet. Parallel dazu wird im in Kürze Rahmen eines Auftakt-Workshops das Projekt sowie dessen Hintergründe interessierten Betrieben vorgestellt. Es wird eine Bestandsaufnahme der Situation in den anwesenden Unternehmen durchgeführt und Wünsche, Vorstellungen und Einschätzungen aus den Unternehmen diskutiert. Bisher konnten fünf Betriebe aus unterschiedlichen Sparten (z.B. Telekommunikation, Pre-Paid Services für Unternehmen, Gesundheitswesen) für das Projekt gewonnen werden, weitere Betriebe haben ihr Interesse bekundet. Die geplante Online Befragung von Betriebsangehörigen wird im Herbst abgeschlossen sein, Mitte September wird der aktuelle Stand des Projektes präsentiert werden.

Schlussfolgerung: Die bisherigen Rückmeldungen aus den Betrieben zu diesem Projekt sind äußerst positiv. Besonders vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels sehen die Betriebe einen deutlichen Wettbewerbsvorteil darin, ihren Mitarbeitern Handlungskonzepte zur Prävention psychischer Fehlbelastungen an die Hand zu geben bzw. diese im Betrieb fest zu implementieren. Der Aufbau eines Netzwerks mit Beteiligung der einzelnen Unternehmen bietet darüber hinaus die Möglichkeit eines systematischen und strukturierten Informations- und Erfahrungsaustauschs untereinander.