Gesundheitswesen 2014; 76 - A116
DOI: 10.1055/s-0034-1386966

Gesundheitskonferenzen und Kapazitätsentwicklung: Positive und negative Einflussfaktoren

K Michelsen 1, H Brand 1
  • 1Maastricht University, Maastricht

Gesundheitskonferenzen sind ein Instrument für die Koordination und Kooperation der Akteure im Gesundheitswesen – mit erheblichem Potential für eine sektorübergreifende Zusammenarbeit. Es handelt sich um eine Form von „gemeinschaftlicher Steuerung” („collaborative governance” [1]), die dadurch charakterisiert ist, dass öffentliche und private Akteure in einem formalisierten, konsens- und beratungsorientierten Prozess in der Bereitstellung öffentlicher Güter zusammenarbeiten (ebd.; s.a. „horizontal governance” [2]; vgl. [3]). Dabei geht es um die Entwicklung von Kapazitäten („capacity development”): um einen Prozess, durch den Individuen, Organisationen und Gesellschaften die Fähigkeit erhalten, verbessern oder bewahren, sich Ziele zu setzen und diese zu erreichen [4]. Gesundheitskonferenzen sind damit also zum einen Ausdruck von Kapazitätsentwicklung. Zugleich sollen sie zu dieser beitragen. Sie unterscheiden sich allerdings in ihrer Leistungsfähigkeit. Eine systematische, empirische Auseinandersetzung mit den Gründen der Unterschiede ist erforderlich. Diese sowie Evaluationen, die Kapazitätsentwicklung einschließen, stehen allerdings bisher weitgehend aus. Bekannte positive Einflussfaktoren sind angemessene Anschubinvestitionen und Ressourcen, günstige Rahmenbedingungen, Führung/Moderation sowie Agenda-Setting [5]. Diese Aufzählung lässt sich anhand von Beiträgen zu „collaborative” bzw. „horizontal” governance ergänzen. Dort werden zum einen Strategien zum Ausgleich von Macht- und Ressourcenungleichgewichten (Partizipations- und Einflussmöglichkeiten „schwächerer” Akteure), Partizipationsanreize, eine stabile Vetrauensgrundlage und adäquate institutionelle Rahmenbedinungen (prozedurale Legitimät, Zugangs- Beteiligungs-, Konsensregelungen, die einen produktiven Umgang mit Konflikten ermöglichen) thematisiert [1]. Als Barrieren für „horizontal governance” werden benannt, dass Teilnehmer sich primär die eigenen Perspektiven bestätigen, unterschiedliche Organisationskulturen aufeinanderprallen, Akteure die Umsetzung von Gesundheitskonferenz-Beschlüssen als Belastung oder die Aktivitäten als Bedrohung empfinden, Asymmetrien in Kompetenzen zu einer Delegation von Aufgaben und Entscheidungen an Experten führen und damit Kompetenzunterschiede letztlich vergrößert werden [2]. Die Faktoren und Barrieren lassen sich im „Resource Dependence Institutional Cooperation” (RDIC) Modell [6] integrieren. Das Modell integriert netzwerktheoretische, organisationstheoretische, ressourcenabhängigkeitstheoretische institutionalistische Ansätze. Kooperation basiert demnach auf dem Willen und der Fähigkeit zur Kooperation. Der Kooperationswille basiert auf Institutionen, Zielen und Wahrnehmungen sowie deren Auswirkungen auf Abhängigkeiten. Die Kooperationsfähigkeit basiert auf institutionellen Rahmenbedingungen und verfügbaren Ressourcen. Das Modell ist geeignet, die Betrachtung von Faktoren mit Einfluss auf die Leistungsfähigkeit von Gesundheitskonferenzen anzuleiten und Ansatzpunkte für die Weiterentwicklung von Kapazitäten zu identifizieren.