Gesundheitswesen 2014; 76 - A126
DOI: 10.1055/s-0034-1386976

Die Inanspruchnahme medizinischer Rehabilitationsleistungen in Deutschland. Ein Vergleich von Survey- und Routinedaten

E Nowossadeck 1, S Pohlner 1, P Kamtsiuris 1
  • 1Robert Koch-Institut, Berlin

Hintergrund: Der demografische Wandel stellt wachsende Herausforderungen an die Gesundheitsversorgung aufgrund steigender Patientenzahlen und eines sich wandelnden Krankheitsspektrums. Deshalb werden Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention an Bedeutung gewinnen. Letztere fallen teilweise in die Verantwortung der Rehabilitation. Die wichtigsten Leistungsträger der medizinischen Rehabilitation sind die Deutsche Rentenversicherung (DRV), die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV). Für die Rehabilitation im Bereich der DRV liegen umfangreiche Daten vor, nicht jedoch von den anderen Leistungsträgern. Unter anderem deshalb fehlen bislang systematische, trägerübergreifende und empirisch gestützte Darstellungen des Rehabilitationssystems in Deutschland. Der Beitrag gibt einen Überblick über die Inanspruchnahme von Rehabilitationsleistungen in Deutschland. Dazu werden Survey- und Routinedaten vergleichend analysiert.

Daten: Die Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) des RKI wurde 2008 bis 2011 mit 7.988 Teilnehmern [1] durchgeführt. In ihr wurde u.a. die Inanspruchnahme mindestens einer medizinischen Rehabilitationsleistung innerhalb von 3 Jahren vor Befragung erfasst. Die Inanspruchnahmequoten wurden auf Bevölkerungsebene hochgerechnet. Die Daten der Rehabilitation im Bereich der DRV entstammen der DRV-Rehabilitationsstatistik; die für den Bereich der GKV der KG 5-Statistik des Bundesministeriums für Gesundheit. Hinzu kommen publizierte Daten der DGUV. Weiterhin wurden Daten der Krankenhausstatistik für stationäre Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen (Statistisches Bundesamt) einbezogen. Die Daten für DRV und GKV sowie der Krankenhausstatistik wurden über das Informationssystem der Gesundheitsberichterstattung (www.gbe-bund.de) abgefragt.

Ergebnisse: In der DEGS1-Studie haben 10,3% der Studienteilnehmer von der Inanspruchnahme mindestens einer Rehabilitationsleistung innerhalb von 3 Jahren vor Befragung berichtet (Frauen: 10,4%, Männer: 10,3%). Als Ergebnis der Hochrechnung auf Bevölkerungsebene (Alter 18 – 79 Jahre) ergibt sich, dass 2,04 Mio. Personen (1,08 Mio. Frauen, 0,97 Mio. Männer) jährlich eine Rehabilitationsleistung in Anspruch genommen haben. Davon waren 39,6% (Frauen) bzw. 40,9% (Männer) 60 Jahre und älter. Die höchste Inanspruchnahmequote wies bei Frauen und bei Männern die Altersgruppe 60 – 69 Jahre auf (Frauen 14,2%, Männer 16,6%).

Die Krankenhausstatistik weist unabhängig von der Trägerschaft für 2010 1,97 Mio. Reha-Fälle in stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen aus. Rechnet man die veröffentlichten Daten von DRV, GKV und DGUV zusammen, wurden von diesen Trägern insgesamt 1,96 Mio. Fälle der ambulanten wie stationären Rehabilitation berichtet.

Diskussion: Die Angaben zur Anzahl der Reha-Fälle schwanken je nach Datenquelle. Keine der einbezogenen Sekundärdatenquellen weist die Gesamtzahl der Reha-Fälle resp. der rehabilitierten Personen in der Bevölkerung aus. Die Unterschiede zwischen den Datenquellen können u.a. durch unterschiedliche methodische Abgrenzungen oder Altersbereiche verursacht werden. Angesichts der damit verbundenen Unsicherheit sind die Abweichungen zwischen den Survey- und den Routinedaten als vergleichsweise niedrig zu bewerten. Aus dem Vergleich von Survey- und Routinedaten lässt sich ableiten, dass pro Jahr etwa 2 bis 2,5 Mio. Menschen eine Rehabilitation absolvieren, von denen etwa 60% jünger als 60 Jahre sind. Mit der DEGS1-Studie kann eine Informationslücke in Bezug auf Eckdaten der Inanspruchnahme von Rehabilitationsleistungen geschlossen werden. Bislang fehlende, nach Alter, Geschlecht und Krankheiten differenzierende Daten können künftig zumindest teilweise mit der DEGS1-Studie bereitgestellt werden. Derartig ausdifferenzierte trägerübergreifende Daten sind unerlässlich für die Entwicklung von Steuerungskonzepten für das Rehabilitationssystem und zur Bewältigung künftiger Herausforderungen, wie beispielsweise durch den demografischen Wandel, in deren Rahmen Rehabilitation und Prävention eine erhebliche Bedeutung zukommt [2,3,4].