Gesundheitswesen 2014; 76 - A153
DOI: 10.1055/s-0034-1387003

„Perceived Food Environment“ von Senioren – Zwischenergebnisse einer explorativen Studie zur wahrgenommenen Ernährungsumgebung

J Rüter 1, S Brandstetter 1, J Curbach 1, V Lindacher 1, B Warrelmann 1, J Loss 1
  • 1Universität Regensburg, Institut für Epidemiologie und Präventivmedizin, Regensburg

Hintergrund: Neben individuellen Faktoren wie Ernährungswissen und -kompetenzen hat auch die Ernährungsumgebung, wie z.B. die Verfügbarkeit von gesunden Lebensmitteln im Alltag, einen zentralen Einfluss auf das Ernährungsverhalten. Das „Food Environment“-Modell von Story et al. (1) unterscheidet hierzu Einflussfaktoren auf sozialer, physikalisch-materieller und Makro-Ebene. Die Ernährungsumgebung von Individuen kann dabei nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv betrachtet werden, da verschiedene Zielgruppen ihre Ernährungsumgebung unterschiedlich wahrnehmen. Ziel der Studie war zu untersuchen, wie sich das Konzept der Ernährungsumgebung in der Wahrnehmung von Senioren im ländlichen Raum gestaltet.

Methodik: Für die Beantwortung der Fragestellung wurde ein qualitativ-exploratives Forschungsdesign mit multi-methodischer Datenerhebung gewählt. Datengrundlage sind leitfadengestützte Einzelinterviews mit Senioren aus 5 ländlichen Gemeinden (n = 33; 64 – 87 Jahre; 28 Frauen, 5 Männer), die im Rahmen eines BMBF-Projektes an Gruppentreffen zum Thema gesunde Ernährung teilnehmen. Die Interviews thematisierten, inwieweit die Senioren wahrnehmen, dass Faktoren aus der sozialen und physikalischen Umwelt das eigene Ernährungsverhalten beeinflussen. Zur Anreicherung und Vertiefung der Ergebnisse wurden für die Auswertung darüber hinaus Fokusgruppen (n = 6) mit jeweils 4 – 5 Teilnehmern herangezogen, die im Laufe der Gruppentreffen mit den Teilnehmern geführt wurden.

Die Daten wurden mittels strukturierter systematischer Inhaltsanalyse nach Mayring (2) ausgewertet.

Ergebnisse: Soziale Faktoren werden als größter Einflussfaktor auf das Ernährungsverhalten wahrgenommen. So passen Senioren ihr Ernährungsverhalten den Vorlieben und krankheitsbedingten Bedürfnissen von Angehörigen an. Ein verkleinerter Haushalt (z.B. der Auszug der Kinder, der Verlust des Partners) verändert das Einkaufs- und Kochverhalten maßgeblich. Auf der physikalischen Ebene wird die schlechte Verfügbarkeit von besonderen Lebensmitteln (z.B. Fisch, besondere „Bio-Produkte“) im ländlichen Raum sowie die schlechte Zugänglichkeit von Supermärkten durch den öffentlichen Nahverkehr kritisiert. Viele der Befragten legen Wert auf saisonale und regionale Lebensmittel und versorgen sich mit selbst angebautem Obst und Gemüse. Besondere Anlässe und Restaurantbesuche werden mit übermäßigem und ungesundem Lebensmittel-Angebot und -verzehr verbunden. Auf Makro-Ebene lassen sich vor allem tradierte soziale Rollen (z.B. als Gastgeber) als wahrgenommene Faktoren identifizieren, während z.B. Einflüsse durch die Lebensmittelindustrie und Werbung auf das Ernährungsverhalten durch die Senioren kaum genannt werden.

Diskussion: Diese Studie konnte explorieren, wie Senioren ihre Ernährungsumgebung wahrnehmen. Vor allem die als relevant empfundenen sozialen Faktoren und die kritisch bewertete Verfügbarkeit/Zugänglichkeit von Lebensmitteln liefern Ansatzpunkte für gemeindenahe Gesundheitsförderung.