Gesundheitswesen 2014; 76 - A156
DOI: 10.1055/s-0034-1387006

Prävention von Suchtmittelkonsum in Schwangerschaft und Stillzeit – Neue Zugangswege durch intersektorale Zusammenarbeit?

I Schaefer 1, J Alfes 1, P Kolip 1
  • 1Universität Bielefeld, Bielefeld

Hintergrund: Das Bundesministerium für Gesundheit hat im Zeitraum März 2011 bis Februar 2012 sieben Modelvorhaben gefördert, die sich der Prävention von Tabak- und/oder Alkoholkonsum in Schwangerschaft und Stillzeit widmeten. Im Fokus des Fördervorhabens stand die Schaffung geeigneter Zugangswege zu suchtmittelkonsumierenden schwangeren und stillenden Frauen sowie die Organisation zielgruppenspezifischer Interventionsangebote durch verschiedene Formen der intersektoralen Zusammenarbeit, wie der Schwangerenberatung mit der Suchthilfe. Letzteres gilt als eine wesentliche Strategie zum Abbau gesundheitlicher Ungleichheit und ist in die Good Practice-Kriterien des Kooperationsverbundes gesundheitliche Chancengleichheit integriert. Im Projekt wurden die Erfahrungen der sieben Modellvorhaben mit den Fragen ausgewertet, wie die Zielgruppe identifiziert und erreicht werden konnte, wie Kooperationspartner für eine intersektorale Zusammenarbeit gewonnen werden konnten, welche Zugangswege und Methoden sich als erfolgreich herausgestellt haben und wie eine Kooperation über die verschiedenen Hilfesysteme hinweg gelungen ist.

Methoden: Im Rahmen der wissenschaftlichen Evaluation wurden einerseits die Abschlussberichte der geförderten Modellvorhaben systematisch analysiert und andererseits Leitfadeninterviews mit den Projektverantwortlichen geführt und ausgewertet. Die auf diese Weise erhobenen Erfahrungen wurden in Handlungsempfehlungen zur Ansprache der Zielgruppe und zu Formen der Zusammenarbeit im Bereich Suchtmittelkonsum sowie Schwangerschaft und Geburt überführt.

Ergebnisse: Alle Modellvorhaben haben eine Ansprache von suchtmittelkonsumierenden Schwangeren und Stillenden über Multiplikatorinnen und Multiplikatoren vorgesehen, die ohnehin Zugang zu dieser Zielgruppe haben. Die verschiedenen Multiplikatorengruppen erwiesen sich als unterschiedlich offen und kooperationsbereit. So war die Inanspruchnahme von Schulungsangeboten zu einer motivierenden Kurzintervention zum Tabakkonsum durch (Familien-) Hebammen zumindest zufriedenstellend, während niedergelassene Gynäkologinnen und Gynäkologen nicht bzw. nur in Einzelfällen für eine aktive Kooperation und Zusammenarbeit gewonnen werden konnten. Weiterhin war in der Mehrzahl der Modellvorhaben vorgesehen, die suchtmittelkonsumierenden schwangeren und stillenden Frauen nach einer ersten motivierenden Ansprache in Angebote der Suchthilfe überzuleiten. Dieser Ansatz hat sich in den geförderten Modellvorhaben auch dann nicht bewährt, wenn die Wege zwischen den Beratungsstellen kurz waren und die betreffenden Frauen bei der Terminabsprache unterstützt wurden. Dagegen wurden insgesamt sehr positive Erfahrungen mit einem integrierten Beratungsansatz im Rahmen der Schwangerenberatung gesammelt.

Schlussfolgerungen: Neben verschiedenen Hinweisen und Empfehlungen, die sich auf unterschiedliche Aspekte der Planungs- und Prozessqualität beziehen, wurden als zentrale Handlungsempfehlungen zum einen die kritische Auseinandersetzung mit potenziellen Multiplikatorengruppen und dem zusätzlichen Aufwand, der von diesen Gruppen realistischerweise erwartet werden kann, abgeleitet und zum anderen die Integration ein- oder mehrmaliger Kurzinterventionen in die vorhandenen Angebote der Schwangerenversorgung und -beratung. Die von einzelnen Modellvorhaben entwickelten und erprobten Qualifikationsmodule und Screeninginstrumente konnten im Rahmen dieser Ansätze gewinnbringend angewendet werden.