Gesundheitswesen 2014; 76 - A174
DOI: 10.1055/s-0034-1387024

Belastungsfaktoren und Erholungsunfähigkeit im Lehrerberuf – ein Altersgruppenvergleich

F Seiboth 1, S Darius 1, R Seibt 2, I Böckelmann 1
  • 1Otto-von-Guericke-Universität Medizinische Fakultät Bereich Arbeitsmedizin, Magdeburg
  • 2Technische Universität Dresden, Dresden

Zielstellung: Der Lehrerberuf gehört zu den Berufen mit hoher psychischer und emotionaler Belastung. Aufgrund psychischer Erkrankungen scheiden Lehrkräfte noch immer häufiger als andere Berufsgruppen des öffentlichen Dienstes vor Erreichen der Regelaltersgrenze aus dem Beruf aus. Ziel der Studie war die Untersuchung altersbezogener Zusammenhänge zu schulspezifischen Belastungsfaktoren und der Erholungsunfähigkeit bei Lehrkräften.

Methodik: An der Studie nahmen 140 Lehrer (126 Frauen, 14 Männer; Durchschnittsalter: 48 ± 8 Jahre) aus Magdeburger Schulen freiwillig teil. Es wurden drei Altersgruppen (AG) gebildet: AG I < 45 Jahre (n = 44), AG II 45 bis 54 Jahre (n = 64) und AG III > 54 Jahre (n = 32). Die Belastungsfaktoren wurden mit der Prüfliste von Rudow (2001) anhand folgender Kategorien ermittelt: Schüler und Klassen, Kollegium und Schulleitung, Arbeitsumweltbedingungen, materiell-technische Schulausstattung, stimmliche Anforderungen sowie Zufriedenheit. Die Erholungsunfähigkeit wurde mit dem Fragebogen zur Analyse belastungsrelevanter Anforderungsbewältigung (FABA) von Richter et al. (1996) erhoben.

Ergebnisse: Als Hauptbelastung stellte sich die Kategorie Schüler und Klassen heraus, hier spielen insbesondere große Leistungsunterschiede (95%) und Verhaltensstörungen der Schüler (82%) eine Rolle. Überwiegend bestehen keine signifikanten Alterseffekte – weder in der Wahrnehmung der einzelnen Belastungsfaktoren (R=-0,09 bis 0,15) noch für Zufriedenheitsaspekte (R=-0,13 bis -0,01). Signifikante Alterseffekte sind lediglich für die Faktoren geringe Lernbereitschaft, hohe Aggressivität und schlechter Umgangston unter Schülern festzustellen (p < 0,005; R= 0,19 – 0,22); AG II und III nehmen diese Belastungsfaktoren stärker wahr als AG I. Für Erholungsunfähigkeit sind in den Altersgruppen signifikante Unterschiede (AG I und II: 17 ± 4, AG III: 20 ± 4; F= 0,007; r= 0,18; p = 0,030) nachweisbar. Auffällig ist, dass in AG I (41%) und II (37%) mehr als ein Drittel und in AG III bereits mehr als die Hälfte (53%) auffällige Erholungswerte aufweisen. Zwischen den einzelnen Belastungsfaktoren und der Erholungsunfähigkeit liegen nur sehr geringe bis geringe positive Korrelationen (R ≤ 0,20) vor. Zur Erholungsunfähigkeit lassen sich für mehrere Faktoren der sozialen Beziehungen (R=-17 bis 0,24) und der Zufriedenheit mit der beruflichen Situation (R=-0,11 bis 0,33) geringe Korrelationen ermitteln. Zudem korreliert die stimmliche Belastung mit R= 0,29 zur Erholungsunfähigkeit.

Schlussfolgerungen: Für den Erhalt der Gesundheit der Lehrkräfte ist die Stärkung individueller Ressourcen notwendig. Da die Belastungsfaktoren besonders auf die Bedeutung der sozialen Beziehungen im Lehrerberuf hinweisen, sollten sowohl soziale und interaktive Aspekte der Arbeitsbedingungen als auch die individuellen Voraussetzungen in präventive Maßnahmen einbezogen werden. Erfolgreiche Interaktionen gelten als zentrale Ressource der Anforderungsbewältigung im Lehrerberuf und sollten daher verstärkt in Präventionsmaßnahmen einbezogen werden.