Gesundheitswesen 2014; 76 - A184
DOI: 10.1055/s-0034-1387034

Erfolg von Rehabilitationseinrichtungen im Lichte von Unterschieden bei der Vereinbarung von Therapiezielen

M Stamer 1, M Zeisberger 1, V Kleineke 1, I Brandes 1, T Meyer 1
  • 1Medizinische Hochschule Hannover, Hannover

Hintergrund: Erfolg auf Seiten der Rehabilitanden/innen stellt ein zentrales Qualitäts- und damit auch Erfolgsmerkmal von Rehabilitationseinrichtungen dar. Bisherige Studien haben gezeigt, dass Erfolgsunterschiede zwischen Rehabilitationseinrichtungen bestehen, die auch nach Berücksichtigung unterschiedlicher individueller Prognosefaktoren noch erklärungsbedürftig sind (z.B. Meyer, 2010). Mit dem Projekt „Merkmale einer erfolgreichen Rehabilitationseinrichtung (MeeR)“ wird die Frage untersucht, anhand welcher Merkmale sich im Mittel als unterdurchschnittlich bzw. überdurchschnittlich erfolgreich definierte Rehabilitationseinrichtungen unterscheiden. Finanziert wurde das Projekt von der Deutschen Rentenversicherung Bund.

Methodik: Auf der Basis von Qualitätssicherungsdaten der Rentenversicherung erfolgte eine gezielte Auswahl von sechs Rehabilitationseinrichtungen. Die qualitative Stichprobe umfasst drei Einrichtungen mit im Mittel überdurchschnittlichem und drei mit im Mittel unterdurchschnittlichem Erfolg. In den ausgewählten Einrichtungen haben einwöchige Visitationen stattgefunden, in deren Verlauf sowohl begleitende Beobachtungen als auch Gruppendiskussionen mit Mitarbeitern/innen und Rehabilitanden/innen sowie Interviews mit Leitungspersonen durchgeführt wurden. Die Auswertung der empirischen Materialien erfolgte mittels zusammenfassender Inhaltsanalyse sowie anschließender Anfertigung von Fallvignetten auf der Grundlage thematischen Kodierens (Mayring, 2010 sowie Flick, 2007). Die Fallvignetten stellten die Basis für themenspezifische vergleichende Analysen zwischen den Rehabilitationseinrichtungen dar. Ziel des Projektes war die Entwicklung von Hypothesen zur Erklärung bisher nicht bekannter Gründe für bestehende Qualitätsunterschiede zwischen Rehabilitationseinrichtungen.

Ergebnisse: Die Ergebnisse umfassen drei Kategorien, die jeweils unterscheidungsrelevante Merkmale implizieren: die Kategorie der interdisziplinären Zusammenarbeit, die Kategorie der Therapiezielvereinbarung sowie die Kategorie der Angebotsgestaltung aus Perspektive von Mitarbeitern/innen und Rehabilitanden/innen. Im Rahmen der nachfolgenden Ergebnispräsentation wird allein auf die Kategorie der Therapiezielvereinbarung Bezug genommen. Wie werden Therapieziele zwischen Rehabilitanden/innen und Mitarbeitern/innen in den Rehabilitationseinrichtungen vereinbart und inwieweit sind Unterschiede in der Art und Weise der Gestaltung von Therapiezielvereinbarungen zu konstatieren? Zusammenfassend sind folgende Ergebnisse zu benennen: In den Einrichtungen mit im Mittel unterdurchschnittlichem Erfolg werden Therapieziele ohne substanzielles Ausmaß an Partizipation der Rehabilitanden/innen festgelegt; in den Einrichtungen mit im Mittel überdurchschnittlichem Erfolg finden sich hingegen Hinweise für eine partielle Partizipation bei der Zielaushandlung. Auf Seiten der Mitarbeiter/innen sind entsprechend unterschiedliche Vorstellungen über Teilhabe von Rehabilitanden/innen erkennbar. Sie liegen im Spannungsfeld von fehlender Wertschätzung des Therapieziel-Instruments (z.B. im Sinne einer Degradierung des Instrumentes zu einer Formsache) über ein Verständnis des Instruments als (neues) Druckmittel zur Beförderung einer sogenannten Compliance bis hin zu einer Anerkennung des Instrumentes als eine zentrale Grundlage der Gestaltung von Behandlungsprozessen. Auf Seiten der Rehabilitanden/innen zeigt sich, dass das Instrument der Therapiezielvereinbarung durchaus Wert geschätzt wird. So erleben es Rehabilitanden/innen als Ausdruck eines ernst genommen Werdens, wenn Ziele im Verlauf der Rehabilitation wiederholt aufgegriffen werden. Eine formal anmutende Thematisierung von Zielen wird demgegenüber eher kritisch konnotiert.

Diskussion/Schlussfolgerungen: Anknüpfend an das Konzept partizipativer Entscheidungsprozesse gilt es zu diskutieren, welche Bedeutung dem Modus der Gestaltung von Therapiezielvereinbarungen im Hinblick auf Erfolgsunterschiede zukommen kann. Denkbar ist, dass Teilhabe eine Reflexion der Rehabilitanden/innen hinsichtlich der Gestaltung ihres zukünftigen Lebens mit der Erkrankung befördern kann. Ausgehend von dem Ziel einer angestrebten kontinuierlichen Qualitätsverbesserung in Rehabilitationseinrichtungen gilt es abschließend zu hinterfragen, welche Bedeutung der Haltung von Mitarbeitern/innen – hier bezogen auf die Ebene der Partizipation – im Hinblick auf Einrichtungserfolg zukommt.