Gesundheitswesen 2014; 76 - A212
DOI: 10.1055/s-0034-1387062

Ältere Arbeitnehmer mit Hörschädigung am Arbeitsplatz

A Weber 1, U Weber 2
  • 1Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaften, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle
  • 2Institut für Rehapädagogik, Sprachbehindertenpädagogik, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle

Hintergrund: Die Prävalenz einer Hörbeeinträchtigung nimmt mit zunehmenden Alter zu, aber auch bei Arbeitnehmern, die sich bereits früh in ihrer (Erwerbs-)Biografie mit einer Hörschädigung und den erhöhten Belastung auf Grund ihrer Beeinträchtigung auseinandersetzen mussten, kann das Risiko, mit zunehmenden Alter den Anforderung des Erwerbslebens nicht mehr in vollem Maße gerecht zu werden im Vergleich zu Arbeitnehmenden ohne Behinderung auf Grund der langandauernden Belastung erhöht sein (vgl. hierzu allgemein Schmidt/Tisch/Engelhardt 2012). Das Recht schwerbehinderter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf eine behinderungsgerechte Gestaltung des Arbeitsplatzes ist in verschiedenen Gesetzen festgeschrieben (§81 des SGB IX, Art. 27 der UN-Behindertenrechtskonvention). Insbesondere haben schwerbehinderte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine behinderungsgerechte Gestaltung ihres Arbeitsplatzes, des Arbeitsumfeldes, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit und auf eine Ausstattung ihres Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen.

Material und Methode: Das Projekt GINKO (Gesetzeswirkungen bei der beruflichen Integration schwerhöriger, ertaubter und gehörloser Menschen durch Kommunikation und Organisation) wurde von 2009 bis 2013 durchgeführt und als Projekt aus Mitteln der Ausgleichsabgabe gefördert. Dabei wurden vor allem die Wirkungen der sozialrechtlich relevanten Gesetze, insbesondere des SGB IX und der UN-Behindertenrechtskonvention, und die Gestaltung des Arbeitsplatzes in den Blick genommen. Zur Erhebung dieser Fragestellungen wurden Betroffene (schwerhörige, ertaubte und gehörlose Menschen) bundesweit mit einem standardisierten Fragebogen, der auch online mit Gebärdensprachfilmen zur Verfügung stand, schriftlich zu Inhalten der aktuellen Gesetzgebung und der Situation am Arbeitsplatz befragt.

Ergebnisse: Es beteiligten sich insgesamt n = 5.435 Personen an der GINKO Umfrage, davon erfüllten n = 4.825 (88,7% von n = 5.435) die Einschlusskriterien des GINKO-Projektes (Vorliegen einer Schwerbehinderung, Vorliegen einer Hörschädigung und Angaben zum Erwerbsstatus), n = 3.189 Teilnehmende (66,1% von 4.825) gaben an, zum Zeitpunkt der Befragung berufstätig zu sein. Der folgende Beitrag befasst sich mit den n = 661 (20,8% von n = 3.189) älteren Arbeitnehmenden (50 bis 65 Jahre) mit einer Hörbeeinträchtigung. Die quantitativen empirischen Analysen der Angaben der älteren berufstätigen Teilnehmenden (n = 661) zur Gestaltung ihres Arbeitsplatz ergaben, dass lediglich 29,6% dieser Gruppe ihren Arbeitsplatz als hörgeschädigten gerecht beurteilt. Insbesondere technische Hilfsmittel wie z.B. FM-Anlagen oder Zusatzmikrophone stehen vielen erwerbstätigen Teilnehmenden nicht zur Verfügung, obwohl sie sie benötigen würden. Auch der für Menschen mit Hörschädigung wichtige Aspekt der Lärm-Minderung am Arbeitsplatz wie z.B. Schalldämmung wird nur bei etwa einem Drittel der Befragten berücksichtigt.

Diskussion: Die durch §81 Abs. 4, SGB IX vorgesehenen Maßnahmen zur Gestaltung von behinderungsgerechten Arbeitsplätzen werden bei älteren hörbeeinträchtigten Arbeitnehmenden bisher noch in eher geringem Maße umgesetzt. Wo die Maßnahmen aber umgesetzt wurden, zeigen sich anhand der statistischen Analysen positive Auswirkungen auf eine möglichst lange Teilhabe am Erwerbsleben.