Gesundheitswesen 2014; 76 - A226
DOI: 10.1055/s-0034-1387076

Diabetes-Therapie in Beveridge-Systemen: Die Erstattung von Insulinpumpen in England und Schweden

K van der Linde 1, A Walendzik 2, D Matusiewicz 1, G Lux 1, M Noweski 1, J Wasem 1
  • 1Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Essen
  • 2Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Siegburg

Hintergrund: Prinzipien für Vergütungsentscheidungen moderner Hilfsmittel und die Abgrenzung von Nutzer-Indikationen werden derzeit in europäischen Gesundheitssystemen verstärkt diskutiert und lassen sich am Beispiel der Insulinpumpentherapie darstellen. Ziel der Studie ist ein Vergleich der Erstattungsregelungen für Insulinpumpen in den Ländern England und Schweden als Vertreter von Systemen mit einem staatlichen Gesundheitsdienst nach dem Beveridge Modell.

Methoden: Es wurden eine Literaturrecherche in den Datenbanken Medline, Embase und SCOPUS, eine umfangreiche Handsuche sowie leitfadenbasierte Expertenbefragungen durchgeführt.

Ergebnisse: In England wird das „National Institute for Health and Care Excellence“ (NICE) mit der Bewertung von Medizinprodukten zur Erstattung durch den „National Health Service“ beauftragt. Die Insulinpumpentherapie bewertet das NICE als wirksam und kosteneffektiv zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 1 und regelt in einer Technology Appraisal Guidance (TAG) die Nutzer-Indikationen. Die Erstattung erfolgt über regionale Clinical Commissioning Groups (CCGs). Häufige Diskrepanzen zwischen Erstattungsentscheidungen der CCGs und Entscheidungen der Ärzte auf Basis der TAG bedingen große regionale Versorgungsunterschiede. In Schweden erstellte die dem Gesundheitsministerium unterstellte Institution „Socialstyrelsen“ Priorisierungsleitlinien zur Behandlung von Typ 1 Diabetikern mit Insulinpumpen. Die höchste vergebene Prioritätsstufe entspricht Stufe 4 für Patienten mit wiederkehrenden starken Hyper- oder Hypoglykämien; Patienten ohne derartige Blutzuckerspitzen mit unzureichender Regulation durch eine Injektionstherapie erhalten die Stufe 5, Patienten mit stabilem Blutzuckerspiegel die niedrigste Stufe 10. Ab Dezember 2013 werden Insulinpumpen nicht mehr zentral als Verbrauchsgüter durch die Agentur für zahnärztliche und pharmazeutische Leistungen (TLV) beschafft, sondern durch die Bezirke bereitgestellt. Erstattungsentscheidungen erfolgen dann auf Basis regionaler Erstattungsleitlinien.

Schlussfolgerung: In beiden Ländern ist der Charakter nationaler Regularien eines Beveridge Systems mit Zentralisierungscharakter von Erstattungsentscheidungen zu erkennen; die eigentliche Regulierung der Insulinpumpentherapie erfolgt jedoch auf regionalem Niveau. In England legen die TAG die Erstattungsleitlinien fest, in Schweden klassifiziert das Priorisierungssystem verschiedene Patientengruppen als unterschiedlich vorrangig für die Insulinpumpentherapie. Die Steuerungswirkung der zentralisierten Entscheidungen hängt v.a. davon ab, wie regional Auswahlkriterien zum Erhalt einer Insulinpumpe gesetzt werden. International ist der Abdeckungsgrad mit Insulinpumpen in England vergleichsweise gering, in Schweden jedoch höher.