Geburtshilfe Frauenheilkd 2014; 74 - FV_04_05
DOI: 10.1055/s-0034-1388567

Hat eine IVF/ICSI-Behandlung einen gesundheitsökonomischen Wert für die deutsche Gesellschaft?

T Hildebrandt 1, N Oversohl 1, S Wagner 2, R Dittrich 1, S Cupisti 1, PG Oppelt 1, K Heusinger 1, MW Beckmann 1, MP Lux 1
  • 1Universitätsklinikum Erlangen, Frauenklinik, Universitäts-Fortpflanzungszentrum Franken (UFF), Erlangen, Germany
  • 2Universitätsklinikum Erlangen, Frauenklinik, Dezernat 6, Erlangen, Germany

Fragestellung: Aufgrund des demographischen Wandels ist die deutsche Gesellschaft mit großen sozialpolitischen Problemen konfrontiert. Ein Grund ist die sinkende Geburtenzahl. Die assistierte Reproduktion bietet eine Lösungsmöglichkeit. Betroffene werden jedoch durch Zuzahlungen bzw. komplette Finanzierung der Leistungen deutlich belastet. Um die Bedeutung einer reproduktionsmedizinischen Behandlung für die deutsche Gesellschaft aus gesundheitsökonomischer Sicht zu analysieren, wurde ein Kosten-Nutzwert-Modell entwickelt.

Methodik: Die qualitätsadjustierten Lebensjahre eines gewonnenen Menschenlebens wurden mittels des EQ-5D-Fragebogens an gesunden Menschen aller Altersklassen erhoben. Im Folgenden wurden die Kosten als auch Erlöse eines Menschenlebens (z.B. Anteil am Bruttosozialprodukt) aus gesellschaftlicher Perspektive detailliert erhoben. Im dritten Arbeitsschritt wurden die IVF/ICSI-Behandlungskosten aus Sicht der Patientin, der Kostenträger und der Frauenklinik des Universitätsklinikums Erlangen ermittelt. Abschließend wurden die Kosten pro QALY für die Reproduktionsmedizin berechnet.

Ergebnis: Bei einem gewonnenen Menschenleben entstehen unter Berücksichtigung der aktuellen Lebenserwartung 77,25 QALYS (Frauen 77,2; Männer 77,3). Unter Einbeziehung des Sozialbudgets ergibt sich ein Erlös von 1,9 Mio. € pro Menschenleben (ohne Sozialbudget: 2,1 Mio. €). Es resultieren somit Kosten pro QALY von -25.042,17 €.

Die Kosten für den Patienten/Krankenkasse betragen jeweils 1.400 € für eine ICSI- und 1.032 € für eine IVF-Behandlung. Unter Einbeziehung der Erfolgswahrscheinlichkeiten von 40,34% bei einer < 29-jährigen Frau und von 16,55% einer 40-jährigen Frau, ergeben sich 31,16 bzw. 12,78 QALYs für einen reproduktionsmedizinischen Zyklus (Erlös pro QALY von 10.063 € bzw. 4.049 €).

Schlussfolgerung: Bei der assistierten Reproduktion handelt es sich aus gesundheitsökonomischer Sicht um eine äußert sinnvolle und kosteneffektive Maßnahme; eine komplette Kostenübernahme und entsprechende Honorierung der Zentren erscheint aus gesellschaftlicher Sicht notwendig.