Z Gastroenterol 2014; 52(12): 1511-1512
DOI: 10.1055/s-0034-1397375
Mitteilungen des BVGD
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Qualitätssicherung in der Gastroenterologie

S. Faiss
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Publication Date:
10 December 2014 (online)

Qualitätssicherung ist fest verankert in der niedergelassenen Gastroenterologie. Bislang gibt es jedoch keine definierte flächendeckende Qualitätssicherung im stationären Bereich. Ausnahmen bestehen lediglich im Rahmen zertifizierter Darmzentren bzw. innerhalb freiwilliger Initiativen (u. a. Papillotomieregister). Qualitätssicherung in der Gastroenterologie wird vor allem von verschiedenen, voneinander zumeist unabhängigen Gruppierungen / Institutionen mit Auswirkungen auf unser ambulantes und stationäres Handeln vorangetrieben (u. a. GBA, BDI, bng, KTQ, Burda-Stiftung, Stiftung Lebensblicke).

Qualitätsparameter der ambulanten Vorsorge-Koloskopie werden in Deutschland seit Beginn des Screening Programms Ende 2002 zentral erfasst und per Feedback an die teilnehmenden Praxen rückgespiegelt. Die im Wesentlichen auf Self-Reporting beruhenden Parameter sind

  • Erreichen des Zoekums (Vollständigkeit der Koloskopie)

  • Adenomdetektionsrate (Rate von Patienten mit mind. 1 Adenom)

  • Polypektomie

  • Komplikationsrate

Zu ergänzen wären als sinnvolle weitere Parameter

  • Qualität der Koloskopie-Vorbereitung

  • Rückzugszeit

Zur Sicherung der Qualität der Krankenversorgung sollte analog dem ambulanten Bereich auch bei stationären Koloskopien eine Qualitätssicherung erfolgen.

Diese sollte im Krankenhaus aus zwei Komponenten bestehen:

1. Zeiterfassung der Anwesenheit von ärztlichem und Pflegepersonal bei der Untersuchung

Auf Grund höchstrichterlicher Entscheidungen in zivil- und strafrechtlichen Streitfällen und damit auch zur Abwendung zivil- oder strafrechtlicher Auseinandersetzungen soll die Anwesenheit aller bei einem endoskopischen Eingriff anwesender Personen (Ärzte und Pflegekräfte) zeitgenau dokumentiert werden. Dafür verwendete Zeiterfassungsprogramme sollen vorzugsweise mit einer ‚Time-Stamp‘ Funktion ausgestattet sein (Uhrzeitgenaue Erfassung). Die Zeitpunkte, zu denen die Anwesenheit des gesamten beteiligten ärztlichen und Pflegepersonals dokumentiert werden soll sind:

E1: Patient betritt den Untersuchungsraum

E2: Beginn der Endoskopie (Zeitpunkt, zu dem das Gerät in eine Körperöffnung eingeführt wird

E3: Beginn des Rückzuges des Endoskops (Im Falle der Koloskopie, der Zeitpunkt des Beginns des Rückzuges vom Zoekalpol)

E4: Ende der Endoskopie (Zeitpunkt, zu dem das Gerät aus der Körperöffnung des Patienten wieder entfernt wird)

E5: Patient verlässt Untersuchungsraum

E6: Patient verlässt Endoskopie-Abteilung (Zeitpunkt zu dem der Patient den Aufwachraum verlässt, auf die Pflegestation verbracht wird und die Betreuungsverantwortung meist auf ein anderes Ärzteteam übergeht).

Zur Sicherung der Qualität der Koloskopie im Krankenhaus in Bezug auf die Vorsorge von Dickdarmneoplasien soll die Rückzugszeit vom Zoekum zum Anus (Zeitraum E3 bis E4) sechs Minuten nicht unterschreiten und der Zoekalpol bei diagnostischen Koloskopien in 90 % der Fälle erreicht werden (Ausnahmen siehe unter Punkt 2).


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2. Qualitätssicherung für die Erfassung von Dickdarmneoplasien

Analog zu den Qualitätssicherungsvereinbarungen für die Koloskopie gemäß § 135 Abs. 2 SGB V für den vertragsärztlichen Bereich soll auch bei diagnostischen Koloskopien im Krankenhaus eine Qualitätssicherung im Hinblick auf die Vorsorge von Dickdarmneoplasien erfolgen. Diese Empfehlung soll für diagnostische Koloskopien im Krankenhaus bei Patienten mit einem Lebensalter von über 55 Jahre gelten. Neben der oben genannten Erfassung der Eingriffszeiten, insbesondere der Zoekumrückzugszeit (E3–E4), und einer Rate des Erreichens des Zoekalpols von 90 %, soll die Detektionsrate von Dickdarmadenomen patientenbezogen erfasst werden und für die jeweilige Einrichtung über 20 % liegen.

Dezidiert ausgenommen aus dieser Regelung sind Vorsorgekoloskopien, die im Krankenhaus nur durchgeführt werden, wenn eine persönliche Ermächtigung der KV vorliegt. In diesem Fall unterliegt die Qualitätssicherung den Regelungen nach § 135 Abs. 2 SGB V und nicht den hier genannten Empfehlungen. Ausgenommen aus der Qualitätssicherung der Koloskopie im Krankenhaus für die Erfassung von Dickdarmneoplasien sind außerdem:

a) Koloskopien, die mit geplanter therapeutischer Intention durchgeführt werden

b) Koloskopien bei Patienten mit bekannten chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen

c) Koloskopien bei Patienten mit der Indikation einer gastrointestinalen Blutung

d) Koloskopien mit einer Notfallindikation.

Der hauptsächliche Qualitätsparameter der (Vorsorge)Koloskopie ist dabei die Rate an übersehenen Karzinomen; hierbei kann als Surrogat-Parameter die Adenomdetektionsrate herangezogen werden, wie zwei Studien aus 2006 und 2014 im NEJM zeigen konnten, auch wenn eine davon Vorsorge- und diagnostische Koloskopien über einen langen Zeitraum in die Auswertung mit einbezog. Dieser Parameter korrelierte nahezu linear mit den sog. Intervallkarzinomen. In einer Studie von Rösch et al. aus Berlin konnte allerdings gezeigt werden, dass bei 12 000 Koloskopien und relativ homogener Rückzugszeit von etwas mehr als 6 min die Adenomdetektionsrate trotzdem sehr stark zwischen den Kollegen schwankte (zwischen 8 und 60 %), Patienten-, Geräte- und Untersucherfaktoren konnten in etwa gleichermaßen, aber nur zu etwa 40 % zur Erklärung der Unterschiede herangezogen werden. Das Fallvolumen hatte keinen Einfluss.

Dass eine vollständige Koloskopie bei sauberem Darm mehr relevante Befunde zutage fördert, ist in einigen Studien gezeigt, liegt aber aus einer grundsätzlichen Logik auf der Hand. Die Komplikationsrate sollte möglichst niedrig sein und ist es nach allen vorliegenden Erhebungen auch.

Über Vollständigkeit und Validität der erhobenen Qualitätsdaten gibt es kaum Auswertungen. In der o. g. Berliner Studie konnte gezeigt werden, dass die Zoekumrate (unkontrolliert / Self-Reporting) und die Adenomdetektionsrate zwischen zentralem Register und Studienerfassung mit Audit gut übereinstimmten, die Komplikationsrate aber das Dreifache der erfassten betrug, allerdings auf sehr niedrigem Niveau (0,48 % statt 0,15 %). Bei obligater und vor allem abrechnungsrelevanter Dokumentationspflicht bestimmter Qualitätsparameter ist daher zu überlegen, welcher Audit zu welchem Aufwand betrieben und finanziert werden kann und soll.

Erste vielversprechende Schritte wie die Implementierung einer S2K-Leitlinie zur Endoskopie sowie eine Treffen zur Qualitätssicherung der Koloskopie beim GBA am 23.5.2014 sind auf einem gemeinsamen Weg zur Qualitätssicherung in der Gastroenterologie bereits erfolgt. Wir sollten daher auch gemeinsam den eingeschlagenen Weg im Sinne und zum Wohle unseres Fachgebietes weiter konsequent verfolgen.


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