Z Gastroenterol 2015; 53(11): 1379-1381
DOI: 10.1055/s-0034-1398037
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Anti-Korruptionsgesetz – Konsequenzen für den niedergelassenen Arzt

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Publication Date:
17 November 2015 (online)

Die Bundesregierung hat am 25.09.2015 ein „Anti-Korruptionsgesetz“ für Ärzte in den Bundesrat eingebracht, das 2016 in Kraft treten soll. Über die Konsequenzen äußert sich der Fachanwalt für Medizinrecht Jörg Paßmann von der Kanzlei Dr. Halbe Rechtsanwälte im Gespräch mit dem langjährigen bng-Vorsitzenden und Vorstand der Stiftung Lebensblicke Dr. Dietrich Hüppe.

Hüppe: Was ist der Hintergrund für die Gesetzesinitiative?

Paßmann: Hintergrund ist die Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs vom März 2012, in der dieser zwar feststellte, dass Vertragsärzte weder Amtsträger noch Beauftragte der Krankenkassen seien, aber die fehlende Strafbarkeit von Bestechlichkeit und Bestechung im niedergelassenen Bereich bemängelte. Der BGH musste wegen fehlender gesetzlicher Handhabe eine Pharmareferentin freisprechen, deren Unternehmen u. a. Prämien für die Verordnung bestimmter Arzneimittel an den verschreibenden Arzt gezahlt hatte. Die derzeitigen Regierungsparteien haben daher bereits im Koalitionsvertrag von 2013 vereinbart, einen entsprechenden Tatbestand in das Strafgesetzbuch aufzunehmen.

Hüppe: Auf welche vermeintlichen Tatbestände zielt der Gesetzesentwurf? Was ist die Intention der Regierung?

Paßmann: Der Gesetzentwurf stellt sowohl die Bestechlichkeit, also das Fordern und / oder Annehmen von Vorteilen für ein Verordnungs-, Zuführungs- oder Bezugsverhalten auf „Nehmerseite“, als auch die Bestechung auf „Geberseite“ unter Strafe. Damit sind alle denkbaren Konstellationen in diesem Bereich erfasst. Der Tatbestand soll bereits durch das Fordern eines Vorteils vollendet sein, ohne dass dieser gewährt sein muss. Vorteile können sowohl materieller als auch immaterieller Art sein, eine Bagatellgrenze wird es nicht geben. Der Gesetzgeber meint, damit auf ein korruptives Verhalten im Bereich des Gesundheitswesens reagieren zu müssen, das zum einen den Wettbewerb beeinträchtige, zum anderen die Kosten im Gesundheitswesen steigere und schließlich das Vertrauen der Patienten in ärztliche Entscheidungen untergrabe. Die bisherigen Regelungen dazu im Berufsrecht (§ 31 Musterberufsordnung) oder im Sozialrecht (§ 128 SGB V) hält er für nicht ausreichend.

Hüppe: Warum ein „Anti-Korruptionsgesetz“ speziell für Ärzte?

Paßmann: Nun, das Gesetz erfasst neben Ärzten alle Gesundheitsberufe, die eine staatlich geregelte Ausbildung erfordern. Es ist also nicht nur auf die verkammerten Berufe beschränkt, wie es beispielsweise eine Bundesratsinitiative des Landes Bayern vorsah. Ärzte stehen aber insbesondere im Fokus des Gesetzgebers, da sie durch die bei ihnen konzentrierten Entscheidungsbefugnisse, insbesondere durch ihr Verschreibungs-, Verordnungs- und Überweisungsrecht, nach Ansicht des Gesetzgebers besonders anfällig für die Einflussnahme derjenigen seien, die von diesen Entscheidungen profitieren. Nach einer im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes erstellten Studie hielten es 14 Prozent der befragte Ärzte für „gängige Praxis“, dass für Patientenzuweisungen wirtschaftliche Vorteile gewährt würden, gleichwohl meint der Gesetzgeber, dass bereits durch das korruptive Verhalten Einzelner der gesamte Berufsstand zu Unrecht unter Verdacht gestellt werde und das Vertrauen der Patienten in das Gesundheitswesen nachhaltig Schaden nehme. Dem will er mit den neuen Straftatbeständen zwar entgegen treten, andererseits besteht durch die Einführung eines solchen Sonderstrafrechts für Ärzte und andere Heilberufe meines Erachtens die Gefahr, dass ein ganzer Berufsstand überhaupt erst unter Verdacht gerät.

Hüppe: Welche Folgen wird das Gesetz für die Kooperation untereinander im Gesundheitswesen haben?

Paßmann: Alle Kooperationen im Gesundheitswesen werden zukünftig immer auch durch die „strafrechtliche Brille“ zu betrachten sein. Denn mit der weiten Fassung des Tatbestandes sind grundsätzlich erst einmal alle Formen der Zusammenarbeit, in denen wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Vorteile ausgetauscht werden, erfasst. Und auch die Begründung des Gesetzentwurfs lässt keinen Zweifel daran, dass sogar von öffentlichen Stellen genehmigte Formen der Zusammenarbeit wie etwa Berufsausübungsgemeinschaften den Tatbestand erfüllen können. Selbst gesundheitspolitisch gewollte Kooperationen wie etwa im Bereich der vor- und nachstationären Behandlung oder dem ambulanten Operieren im Krankenhaus sowie der Integrierten Versorgung sind diesbezüglich nicht sicher. Denn diese sollen nur dann nicht strafbar sein, wenn die gezahlten Vergütungen „angemessen“ sind. Über die Frage aber, was „angemessen“ ist, lässt sich trefflich streiten und enthält die Gesetzesbegründung auch keine näheren Angaben.

Hüppe: Welche Folgen ergeben sich daraus für den Einzelnen?

Paßmann: Der Einzelne wird bereits vor Inkrafttreten der Vorschriften, womit zu Beginn des Jahres 2016 zu rechnen ist, seine bestehenden Kooperationen darauf prüfen müssen, ob sie zukünftig den Tatbestand der Bestechlichkeit erfüllen. Erforderlich ist dazu stets eine sog. Unrechtsvereinbarung, ohne die beispielsweise eine vom Zulassungsausschuss genehmigte Berufsausübungsgemeinschaft nicht ohne Weiteres der Strafbarkeit unterfällt. Haben die Partner einer solchen Berufsausübungsgemeinschaft aber beispielsweise vereinbart, dass für die Zuführung von Patienten innerhalb ein und derselben Praxis dem „Zuführenden“ ein gesonderter Vorteil zukommen soll, kann dies eine derartige Unrechtsvereinbarung darstellen. Ein solches Vorgehen muss dann umgehend eingestellt und Verträge oder Gesellschafterbeschlüsse der Berufsausübungsgemeinschaft ggf. neu gefasst werden. Bei zukünftigen Kooperationen wird dann stets zu prüfen sein, ob Verordnungen, Verschreibungen oder Patientenüberweisungen (bzw. „Zuführungen“) mit Vorteilen verbunden werden, auf die an sich kein Anspruch besteht, mit denen aber der Anreiz zu einer bestimmten Steuerung des genannten Verhaltens verbunden ist.

Hüppe: Kooperationen mit der Pharmaindustrie im Bereich von wissenschaftlichen Studien, aber auch Fortbildungen sind seit Jahren etabliert. Wie wird dieses Gesetz die Beziehungen von Ärzten und der Pharmaindustrie beeinflussen?

Paßmann: Vergütete Anwendungsbeobachtungen sollen ausweislich der Gesetzesbegründung auch zukünftig möglich und zulässig sein, allerdings auch dies nur solange nicht mit ihnen der Anreiz geschaffen wird, das beobachtete Präparat bevorzugt zu verordnen. Auf die Bewertung der hierzu getroffenen Vereinbarungen wird zukünftig also besonderes Augenmerk zu richten sein: Steht der geleisteten Entschädigung keine erkennbare ärztliche Gegenleistung gegenüber oder übersteigt die Gegenleistung deutlich den geleisteten Aufwand, soll die Strafbarkeit gegeben sein. Ob sich dann noch Teilnehmer für eine Anwendungsbeobachtung finden, wenn die dafür gezahlte Vergütung den genannten Anforderungen genügt, bleibt abzuwarten. Ansonsten wird Pharmasponsoring eben nur dann zulässig sein, wenn es keinen Verordnungsbezug aufweist, also die finanzielle Förderung beispielsweise einer Fortbildungsveranstaltung keinen Anreiz zur Verordnung der Produkte des Fördernden schafft.

Das Berufsrecht der einzelnen Landesärztekammern enthält hierzu bereits heute Regelungen, die die Finanzierung des wissenschaftlichen Programms in angemessenem Umfang erlauben. Soweit die neuen Straftatbestände Bezug auf das ärztliche Berufsrecht nehmen, darf dies freilich nicht dazu führen, dass in den einzelnen Kammerbezirken unterschiedliche Maßstäbe hinsichtlich der Strafbarkeit herrschen. Pharmaunternehmen und Fortbildungsveranstalter werden die berufsrechtlichen Vorgaben genau beachten müssen und im Zweifelsfall die Kooperation durch die Landesärztekammern vorab prüfen lassen.

Hüppe: Sind während der Beratung des Gesetzes im Bundestag noch Änderungen zu erwarten?

Paßmann: Der Gesetzestext hat von der Fassung in Form des Referentenentwurfs bis zur Gesetzesinitiative mit Stand vom 25.09.2015 schon einige Änderungen erfahren. Aus der zu weit und zu unbestimmt gefassten, generalklauselartigen Formulierung, die auf die Verletzung „sonstiger Berufspflichten“ abstellte, ist im gegenwärtigen Entwurf die Bezugnahme auf die „berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit“ geworden. Das Justizministerium hat hier also schon die im Verfahren zur Anhörung der Verbände vorgebrachte Kritik berücksichtigt.

Es wäre dem Entwurf zu wünschen, dass er weitere Restriktionen erfährt oder beispielsweise Ausnahmen für Vereinbarungen vorsieht, die bestehenden gesetzlichen Regelungen (§§ 115a, 115b, 140 SGB V) entsprechen oder von staatlichen Stellen, zu denen auch Ärztekammern, Zulassungsausschüsse oder Kassenärztliche Vereinigungen gehören, ausdrücklich genehmigt wurden. Derartige Klarstellungen sind indes nicht zu erwarten.

Hüppe: Was raten Sie Ärzte allgemein, um mit dem „Anti-Korruptionsgesetz“ nicht in Konflikt zu kommen?

Paßmann: Zunächst gehe ich davon aus, dass sich die breite Mehrheit der Ärzte bereits heute rechtskonform verhält, denn berufsrechtlich sind etwa Zuweisungen gegen Entgelt schon immer unzulässig gewesen und werden von den meisten Ärzten sowieso nicht praktiziert. Es ist aber eben auch nicht von der Hand zu weisen, dass mit den neuen Straftatbeständen Kooperationen zwischen Ärzten und anderen Leistungserbringern im Gesundheitswesen in den Verdacht strafbaren Handelns geraten können.

Das Hauptproblem liegt meines Erachtens hier auch nicht darin, dass echte Bestechung und Bestechlichkeit zukünftig bestraft werden. Dies mag zu Recht geschehen. Allerdings sind an die Bejahung des Anfangsverdachtes durch die Ermittlungsbehörden gemäß § 152 Abs. 2 der Strafprozessordnung nur geringe Anforderungen geknüpft, so dass es zu einer Vielzahl von Ermittlungsverfahren kommen wird. Selbst wenn diese mehrheitlich eingestellt werden, ist bereits mit der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, das möglicherweise noch öffentlichkeitswirksam durch die Medien begleitet wird, ein erheblicher Ansehensverlust für den betroffenen Arzt verbunden. Bestehende und zukünftige Kooperationen sollten daher unbedingt juristisch auf ihre strafrechtliche Unbedenklichkeit überprüft werden, um schon von vornherein der Einleitung eines Strafverfahrens vorzubeugen.

Hüppe: Ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

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Jörg Paßmann