Z Geburtshilfe Neonatol 2016; 220(01): 3
DOI: 10.1055/s-0034-1398308
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Geburtshilfe
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Vitamin D während der Stillzeit – Studie: Alleinige hochdosierte maternale Supplementation reicht aus

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Publication Date:
11 February 2016 (online)

Hintergrund: Im Vergleich zu Säuglingen, die mit Muttermilchersatz ernährt werden, haben ausschließlich gestillte Kinder aufgrund des niedrigen Vitamin-D-Gehalts der Muttermilch ein höheres Risiko für eine Vitamin-D-Mangelversorgung. Nach der Geburt wird daher eine regelmäßige orale Vitamin-D-Supplementation der stillenden Mütter und ihrer Kinder empfohlen. Eine US-amerikanische Arbeitsgruppe hat untersucht, ob eine alleinige hochdosierte maternale Vitamin-D-Supplementation der niedrig dosierten maternalen und kindlichen Substitutionsbehandlung hinsichtlich der Anhebung des 25-Hydroxy-Vitamin-D [25(OH)D]-Spiegels überlegen ist.

Methoden: In die randomisierte, doppelblinde, klinische Studie an 2 Universitätskliniken in Charleston / South Carolina und Rochester / New York wurden zwischen den Jahren 2005 und 2012 alle stillenden Mütter und ihre gesunden Neugeborenen eingeschlossen. Alle Kinder wurden ausschließlich mit Muttermilch ernährt. Die Mütter erhielten über einen Zeitraum von 6 Monaten eine orale Vitamin-D3-Supplementation mit 400, 2400 bzw. 6400 IU / d. Die Kinder der Mütter der 400 IU-Gruppe wurden zusätzlich mit 400 IU / d Vitamin D3 p.o. behandelt. Die Kinder der übrigen Mütter erhielten ein Plazebo. In regelmäßigen Intervallen wurden Blut- bzw. Urinproben der Mütter und ihrer Kinder hinsichtlich des 25(OH)D-, des Calcium- und Phosphat- sowie des Parathormonspiegels analysiert. Ein Vitamin-D-Mangel wurde bei einem Serum-25(OH) D < 50nmol / l (< 20ng / ml) diagnostiziert. Die Outcome-Parameter umfassten die Veränderung des maternalen bzw. kindlichen Serum-25(OH)D-Spiegels 4 und 7 Monate nach der Geburt sowie den Anteil von Müttern und Kindern mit einem 25(OH)D-Spiegel < 50 nmol / l zu Studienbeginn (4–6 Wochen post partum) bzw. nach 4 und 7 Monaten. Bei der Datenanalyse wurde der Einfluss potentieller Confounder (z.B. geografische Region, Jahreszeit, maternale Hautfarbe, Body-Mass-Index, Ernährung) berücksichtigt.

Ergebnisse: Die 2400 IU-Gruppe wurde 2009 aufgrund von Sicherheitsbedenken (stärkerer kindlicher Vitamin-D-Mangel) vorzeitig beendet. Nach 4 bzw. 7 Monaten konnten von 148 (44,3 %) bzw. 95 (28,4 %) der insgesamt 334 Mutter-Kind-Paare vollständige Studiendaten ausgewertet werden. Afroamerikanische Mütter und ihre Neugeborenen wiesen deutlich geringere basale 25(OH)D-Spiegel auf als weiße Mutter-Kind-Paare. Im Vergleich zu den mit je 400 IU / d Vitamin D3 behandelten Mutter-Kind-Paaren konnte durch die tägliche Supplementation von 6400 IU Vitamin D3 ein signifikanter Anstieg des maternalen 25(OH)D-Spiegels erreicht werden (p < 0,0001). Hinsichtlich der kindlichen 25(OH)D-Spiegel sowie der übrigen Laborparameter ließen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Kindern der 400 IU- und der 6400 IU-Gruppe nachweisen. Auch bezüglich des Gewichts- und Längenwachstums sowie des Kopfumfangs unterschieden sich die Kinder beider Gruppen nicht. Mit der Vitamin-D-Gabe assoziierte unerwünschte Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet.

Fazit

Im Vergleich zur täglichen Gabe von 400 oder 2400 IU Vitamin D3, so das Fazit der Autoren, ermöglicht eine hochdosierte Vitamin-D3-Supplementation stillender Mütter die zuverlässige Anreicherung der Muttermilch mit einer adäquaten Menge Vitamin D. Auf diese Weise kann der Vitamin-D-Bedarf der Säuglinge vollständig über die Muttermilch gedeckt werden, ohne dass eine zusätzliche kindliche Vitamin-D-Gabe erfolgen muss.

Kommentar

Furman L., Maternal vitamin D supplementation for breastfeeding infants: Will it work? Pediatrics 2015; 136: 763–764

Obwohl die American Academy of Pediatrics die tägliche Gabe von 400 IU oralem Vitamin D ab den ersten Lebenstagen empfiehlt, erhalten nach Schätzungen nur rund 20 % der Neugeborenen diese Rachitisprophylaxe. Hollis et al. konnten mit Hilfe ihrer Studie belegen, dass eine 6-monatige hochdosierte (6400 IU / d) Vitamin-D3-Supplementation der Mutter die kindliche Behandlung ersetzen kann. Wichtige Fragen für die praktische Umsetzung der Studienergebnisse bleiben jedoch, so die Autorin des Editorials, Dr. Lydia Furman von der Universität Cleveland / Ohio, offen. So sei unklar, welche medizinische Fachrichtung – Pädiater, Gynäkologen oder Internisten – die Verschreibung von Vitamin D an die stillenden Mütter übernehmen soll. Auch die Frage der Kostenübernahme sei unklar. Wenn Frauen die Präparate selbst bezahlen müssten, könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich insbesondere Mütter aus sozioökonomisch schwachen Gesellschaftsschichten aufgrund der zusätzlichen finanziellen Belastungen gegen das Stillen entscheiden. Ferner gibt die Autorin zu bedenken, dass das Problem der Vitamin-D-Compliance durch eine ausschließlich maternale Supplementation lediglich verschoben werde.

Furman schlägt vor, weiterhin auch Strategien zur Steigerung der Therapie-Compliance hinsichtlich der kindlichen Vitamin-D-Supplementation zu verfolgen. Eine frühzeitige Information und Anleitung der Eltern bereits während des Klinikaufenthalts im Rahmen von organisierten Gesundheitsfürsorge-Programmen sowie die Klärung der Kostenfrage seien hierbei essentiell. Um das Risiko für Vitamin-D-Mangelerscheinungen besser abschätzen zu können, fordert die Autorin zudem die Etablierung eines nationalen Rachitis-Registers.

Dr. Judith Lorenz, Künzell