Pneumologie 2015; 69 - P99
DOI: 10.1055/s-0035-1544802

Offene Lungentuberkulose bei Jugendlichen in einer Übergangsklasse: Ein Fallbericht über die Umsetzung der Empfehlungen zur Bekämpfung der Tuberkulose (TBC) und Vollzug des Infektionsschutzgesetzes (IfSG)

T Wibmer 1, B Welzenbach 2, U Storr 2
  • 1Gesundheitsamt der Stadt Augsburg
  • 2Krankenhaus für Kinder und Jugendliche, Klinik Josefinum Augsburg

Einleitung: Übergangsklassen an Mittelschulen bilden einen Schwerpunkt der Integration ausländischer Schüler mit fehlenden oder geringen Deutschkenntnissen. Gesundheitsuntersuchungen auf ansteckende Erkrankungen werden bei einem Großteil der Schüler bei der Ankunft in Deutschland nicht systematisch durchgeführt. Schüler aus Hochinzidenzländern könnten daher potenzielle Ansteckungsquellen darstellen.

Fallbericht: Wir berichten über eine Übergangsklasse mit 59 Schülern (Kurssystem). Die Herkunftsgebiete waren südöstliche EU (29 Schüler), nordöstliche EU (10 Schüler), naher Osten (8 Schüler), Afrika (5-Schüler), südliche EU (3 Schüler), GUS (2 Schüler), Andere (2 Schüler). Nach Diagnose einer offenen TBC bei einem der Schüler führte das Gesundheitsamt eine Umgebungsuntersuchung durch. Aufgrund des Alters der Schüler (< 15 Jahre) wurden Mendel-Mantoux bzw. Interferon-Gamma-Release-Assay (IGRA) Tests umgehend sowie ein weiteres Mal – 8 Wochen nach der letzten Ansteckungsmöglichkeit – bei allen 59 Schülern durchgeführt. Bei zwei Schülern, welche aus demselben Herkunftsland wie der erkrankte Schüler stammten, wurde die Diagnose einer latenten Tuberkuloseinfektion (LTBI) gestellt und eine Chemoprävention mit INH und Rifampizin durchgeführt. Unmittelbar nach Abschluss der Chemoprävention wurde bei einem der beiden Schüler eine aktive Lymphknoten-TBC diagnostiziert und eine antituberkulöse 4-fach Kombinationstherapie eingeleitet.

Neben der Umgebungsuntersuchung wurde als weitere Schutzmaßnahme der vorübergehende Ausschluss vom Schulbesuch sowohl für die potenziell infektiösen Krankheitsverdächtigen (§34 Abs. 1 IfSG) als auch für die in deren Wohngemeinschaft lebenden Geschwister (§34 Abs. 3 IfSG) angeordnet.

Schlussfolgerung: In multikulturellen Übergangsklassen sollte bei Umgebungsuntersuchungen besondere Aufmerksamkeit auf Schüler gleicher Herkunftsländer gerichtet werden, da hier aus sprachlichen und kulturellen Gründen mit engerem Kontakt gerechnet werden muss. Eine umfangreiche Infektionsdiagnostik sollte entsprechend der Empfehlungen der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ) bei allen immigrierenden Kindern und Jugendlichen erfolgen.