Senologie - Zeitschrift für Mammadiagnostik und -therapie 2015; 12 - A44
DOI: 10.1055/s-0035-1550484

Fernmetastasen beim Mammakarzinom und geheilt: ist das möglich?

U Güth 1, 2, 3, S Schmid 4, 5
  • 1Kantonsspital Winterthur, Klinik für Gynäkologie, Winterthur, Schweiz
  • 2Kantonsspital Winterthur, „Brustzentrum Senosuisse“, Winterthur, Schweiz
  • 3Universitätsspital Basel, Frauenklinik, Basel, Schweiz
  • 4Spital Grabs, Frauenklinik, Grabs, Schweiz
  • 5Brustzentrum St. Gallen, St. Gallen, Schweiz

Einleitung/Zielsetzung:

„Wenn eine Mammakarzinompatientin klinisch nachweisbare Fernmetastasen entwickelt hat, müssen wir die Erkrankung als nicht mehr heilbar ansehen.“ Diese allgemein als gültig anerkannte These ist in den letzten Jahren mehrfach in Frage gestellt worden. Bei 1 – 3% der Patientinnen mit metastastischer Erkrankung wurden, vor allem in Chemotherapiestudien, Komplettremissionen mit beobachteten Langzeitüberleben > 20 Jahre beschrieben, so dass man diese Fälle als geheilt bezeichnen könnte. Unsere Studie evaluiert die Rate potentiell geheilter Patientinnen in einer unselektionierten Kohorte.

Material & Methoden:

Datenquelle: Mammakarzinom Datenbank der Universitäts-Frauenklinik Basel. Untersucht wurde der Verlauf aller Patientinnen, bei denen im Zeitraum zwischen 1990 und 1999 Fernmetastasen diagnostiziert wurden (n = 149). Kriterien für eine Heilung: 1) lange Überlebenszeit; 2) die zu Beginn der Erkrankung diagnostizierten metastatischen Läsionen waren/sind durch die jeweils mit palliativer Intention durchgeführten Therapien langfristig nicht mehr nachweisbar.

Ergebnisse:

Fünf Patientinnen (3,4%) waren „long-term survivors“ und erfüllten darüberhinaus die Kriterien einer Heilung. Drei Patientinnen waren zum Zeitpunkt der Datenanalyse im Jahr 2014 mit dem Status „no evidence of disease“ am Leben (Überlebenszeit nach Diagnose der Fernmetastasen: 17,6 – 21,2 Jahre). Zwei Patientinnen waren an anderen Erkrankungen verstorben (Überlebenszeit: 9,3 Jahre, 11,3 Jahre). Die Altersverteilung zum Zeitpunkt der Metastasendiagnose dieser Patientinnen war zweigipflig: 41 – 57 Jahre (n = 3); 76, 79 Jahre (n = 2). Bei drei Patientinnen fand sich jeweils eine isolierte Metastasenlokalisation (Knochen, n = 2; Lunge, n = 1), bei einer Patientin waren multiple Knochenmetastasen nachweisbar, bei einer Patientin fanden sich Metastasen in zwei Organen (Knochen, Lunge). Nur in einem der fünf Fälle erhielt die Patientin in der vermeintlichen Palliativsituation eine Chemotherapie.

Zusammenfassung:

Patientinnen, die trotz der Diagnose von Fernmetastasen als geheilt bezeichnet werden dürfen, sind selten. Die von uns identifizierten Patientinnen zeigten sehr unterschiedliche Krankheitscharakteristika. Die Mechanismen, die zu einer Heilung in einer eigentlich als unheilbar geltenden Situation führen, bleiben im Dunklen. Die Aggressivität der Therapie scheint dabei aber nicht der entscheidende Faktor zu sein.