Geburtshilfe Frauenheilkd 2015; 75 - A13
DOI: 10.1055/s-0035-1551587

Postpartale bilaterale Nierenrindennekrose – ein Fallbericht

S Jäkel 1, M Busch 2, U Schneider 1, E Schleussner 1
  • 1Abteilung Geburtshilfe, Universitätsklinikum Jena
  • 2Abteilung Nephrologie, Universitätsklinikum Jena

Fragestellung:

Eine bilaterale Nierenrindennekrose ist eine seltene und schwerwiegende, irreversible Erkrankung der postpartalen Phase, die eine schnelle und unverzügliche nephrologische Ersatztherapie erfordert. Ursächlich werden eklamptische, mikroangiopatische oder endotoxische Geschehen diskutiert.

Fallbericht:

Wir berichten über eine 29-jährige Patientin (G1, P0, Z.n. IVF) mit Geminischwangerschaft. Eine Episode mit drohender Frühgeburt in der 26. SSW wurde therapiert und eine Zervixinsuffizienz mittels Arabin-Pessar stabilisiert. Bei vorzeitigem Blasensprung in der 33+5 SSW kam es in 34+2 SSW nach PG-Einleitung zur unkomplizierten Spontangeburt gesunder Zwillinge. Die Retention der Plazenta mit geburtshilflicher Massenblutung von insgesamt 2200 ml machten die manuelle Lösung, instrumentelle Nachtastung, intraoperative Gabe von Notfallkonserven, Antifibrinolyse (Tranexamsäure) und rektale und intravenöse PG-Gabe notwendig. 24 Stunden postoperativ zeigte sich eine komplette Anurie mit Kreatininanstieg von 54 auf 265 µmol/l, einem Thrombozytenabfall von 143 auf 29 Gpt/l und eine hypertensive Entgleisung. Es erfolgte die unverzügliche Verlegung in die nephrologische Abteilung zur sofortigen Hämodialyse. Hinweise auf Endotoxine, Infektionen, irreguläre oder thrombozytäre Antikörper ergaben sich nicht. Bei erhöhten Transaminasen und Blutdruckwerten, sowie auffälligen Hämolyseparametern konnten ein HELLP-Syndrom oder HUS nicht ausgeschlossen werden. Histologisch bestätigte sich der intraoperative Verdacht einer Plazenta accreta, es fanden sich 2 Wochen postpartum zudem Residuen, die eine erneute operative Ausräumung des Cavum uteri erforderlich machten. Die zur Prognoseabschätzung durchgeführten Nierenbiopsien zeigten beidseitig komplette Nekrosen des kortikalen Parenchyms bei arterieller, arteriolärer und glomerulärer Thrombose. Nach Anlage eines Vorhofkatheters erfolgte die Eingliederung der Patientin in ein reguläres Dialyseregime.

Schlussfolgerung:

Während transiente Einschränkungen der Nierenfunktion in Zusammenhang mit peripartalen Komplikationen häufig sind, handelt es sich bei dem hier geschilderten Fall einer irreversiblen Nierenschädigung um ein Exklusivereignis. Retrospektiv kommen mehrere pathophysiologische Prinzipien, u.U. auch die schicksalhafte Verkettung von disseminiert intravasaler Gerinnung nach Massenblutung, medikamentenassoziierter Thrombozytopenie bei belasteter Anamnese mit postpartaler Blutung, sowie eine seltene Nebenwirkung der Antifibrinolytika-Gabe ebenso in Betracht, wie die Plazentapathologie oder Hämolysefolgen im Rahmen eines HELLP-Syndroms oder HUS.