Geburtshilfe Frauenheilkd 2015; 75 - A18
DOI: 10.1055/s-0035-1551592

15 Jahre Erfahrung im Einsatz von Methylprednisolon (Urbason®) zur Schwangerschaftsprolongation bei HELLP-Syndrom – eine retrospektive Fall-Kontroll-Studie

V Thäle 1, J Pacholke 1, DS Costa 2, M Tchirikov 1
  • 1Universitätsklinik und Poliklinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
  • 2Universitätsfrauenklinik Magdeburg, Universitätsklinikum Magdeburg

Fragestellung: In den letzten Jahren wurden verschiedene Therapiekonzepte bezüglich einer Prolongation der Schwangerschaft bei einem HELLP-Syndrom entwickelt (Plasmapherese, antithrombotische Substanzen, immunsuppressive Therapie). Bisher existieren lediglich 2 Studien, die den Einsatz von Methylprednisolon zur Prolongation bei HELLP-Syndrom untersuchen (Fischer 1999, van Runnard Heimel 2006). Eine klare Evidenz fehlt. Profitieren Patientinnen mit HELLP-Syndrom und drohender fetaler Unreife von der Methylprednisolongabe, um eine Prolongation der Gravidität zur Verbesserung des fetalen Outcomes bzw. Stabilisierung des maternalen Befindens zu erreichen?

Methodik: In die Untersuchungen eingeschlossen wurden 138 Patientinnen mit HELLP-Syndrom aus Halle und Magdeburg, die entweder mit Methylprednisolon prolongiert werden konnten (Studiengruppe n = 65) oder unmittelbar nach Diagnosestellung unabhängig vom Gestationsalter entbunden worden sind (Kontrollgruppe 1 HAL n = 45 und Kontrollgruppe 2 MD n = 28).

Ergebnisse: In der Studiengruppe konnte durch den Einsatz von Urbason® bei knapp 54% (n = 35) eine Schwangerschaftsprolongation erreicht werden. Dabei wurde im Median eine zusätzliche intrauterine Reifezeit für die Feten von vier Tagen (Variation: 1 – 55) erfasst. Schwangerschaften ≤34. SSW (n = 30) konnten median um 6 Tage und < 29. SSW (n = 15) um median 10 Tage prolongiert werden.

Unter der Therapie mit Urbason® in der Studiengruppe und auch durch die in den beiden Kontrollgruppen angewandte Therapiemaßnahme der sofortigen Entbindung, verbesserte sich die für das HELLP-Syndrom typische Laborkonstellation innerhalb weniger Tage, signifikant schneller in der Studiengruppe.

In der Studiengruppe zeigten knapp über die Hälfte (n = 34; 52,3%) aller Patientinnen einen peripartalen Verlauf ohne Komplikationen. Im Gegensatz dazu die Kontrollgruppe 1 bei der nur knapp 13% der HELLP-Fälle ohne Komplikation verliefen (* p = 0,0001), weiterhin treten in den Kontrollgruppen häufiger mehrere Komplikationen (z.B. transfusionspflichtige Anämie) auf, als in der Studiengruppe.

Die Kinder aus der Studiengruppe scheinen deutlich stabiler während der Geburt gewesen zu sein, denn es wurde etwa fünfmal seltener eine Azidose (pH-Wert ≤7,2) gemessen (4,6% vs. 22,2%; *p = 0,005).

Schlussfolgerung: Die vorliegenden Studienergebnisse ermutigen zum routinemäßigen Einsatz von Methylprednisolon zur Schwangerschaftsprolongation in einem Perinatalzentrum mit der Möglichkeit der optimalen Überwachung des maternalen und fetalen Zustandes und der Vorraussetzung einer sofortigen Sectiobereitschaft bei drohenden Komplikationen.