Geburtshilfe Frauenheilkd 2015; 75 - A45
DOI: 10.1055/s-0035-1551619

33-jährige Patientin mit Borderline-Tumor des Ovars mit invasiven Implantaten

C Kunz 1, B Scholz 1, T Lantzsch 1
  • 1Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara, Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Halle (Saale)

Seit 1970 verwenden WHO und FIGO den Begriff Borderline-Tumor (BOT) und dessen Synonym, Tumor mit niedriger maligner Potenz (NMP). Sie zeigen histologisch eine atypische Epithelproliferation ohne Stromainvasion und machen etwa 10 – 20% der epithelialen Ovarialtumore aus mit steigender Inzidenz seit den 80er Jahren. Häufig sind hiervon junge Frauen betroffen mit noch nicht abgeschlossener Familienplanung. Ein Drittel der Patientinnen sind bei Diagnosestellung unter 40 Jahre alt. 75% der Fälle entsprechen bei Diagnosestellung einem Stadium I. Die Symptomatik ist meist unspezifisch und etwa 30% der Patientinnen geben keine Beschwerden an. Häufig führt die Vaginalsonografie zu einem Zufallsbefund, der sich morphologisch sehr unterschiedlich darstellen kann oder sogar benigne imponiert. Für die Diagnosestellung nimmt der meist normwertige Tumormarker CA 125 keinen hohen Stellenwert ein.

Wir berichten über eine 33- jährige 0. Gravida mit seit 3 Jahren bestehendem unerfülltem Kinderwunsch, welche sich wegen Bauchumfangzunahme bei ihrem Frauenarzt vorstellte. Bei vaginalsonografisch 15 cm großen zystisch-soliden Unterbauchtumor mit dringendem Verdacht auf ein Ovarialkarzinom erfolgte die Vorstellung in unserer Klinik. Im durchgeführten CT-Abdomen wurde zudem der Verdacht auf eine Darmbeteiligung mit Peritonealkarzinose beschrieben. In der Koloskopie zeigte sich eine Kompression von außen im rectosigmoidealen Übergang. Die Tumormarker CA 125 und CA 72 – 4 waren deutlich erhöht.

Nach Vorstellung in der interdisziplinären Tumorkonferenz wurde eine Längslaparotomie mit Schnellschnittuntersuchung und Nachweis eines BOT durchgeführt. Es erfolgte die abdominale Hysterektomie mit Adnexexstirpation beidseits und Sigmaresektion en block, außerdem die Appendektomie, infragastrische Omentektomie, Spülzytologie und partielle Deperitonealisierung. Der endgültige histologische Befund beschrieb einen serös-papillärer BOT mit invasiven Implantaten im Bereich der peritonealen Oberfläche und des Netzfettgewebes, Tumorstadium pT3a, R0. Derzeit steht die Referenzhistologie aus. Nach Befundeingang und Einholung einer Zweitmeinung durch ein Referenzzentrum für BOT erfolgt eine erneute Tumorkonferenzvorstellung zur weiteren adjuvanten Therapieplanung.

Welche Behandlungsoptionen ergeben sich in dieser Situation?

Die Prognose für seröse BOT im Stadium I ist exzellent, die 15-Jahres-Überlebensrate wird mit 99% angegeben. Die Überlebensraten fallen bei Nachweis extrapelviner Tumormanifestationen (Stadium III) auf 30 – 50%. Des Weiteren gelten invasive Implantate als schlechter Prognosefaktor mit einer 10-Jahres-Überlebensrate von 33%. Diese Patientinnen haben ein hohes Rezidivrisiko und sollten daher in enger Nachsorge überwacht werden. Möglicherweise stellen die invasiven Implantate aufgrund ihrer Genmutationen den bevorstehenden Übergang zum low-grade Karzinom dar. Zum Einsatz einer adjuvanten Chemotherapie bei invasiven Implantaten liegen nur einzelne Kasuistiken vor und ist aktuell immer eine Einzelfallentscheidung.