Zusammenfassung
Fragestellung: Bei Tumorpatienten führen sowohl erkrankungs- als auch therapieassoziierte Belastungen
häufig zu einer Mangelernährung. Zentrale klinische Probleme sind eine unzureichende
Nahrungsaufnahme, eine Einschränkung der körperlichen Aktivität und Mobilität sowie
katabole metabolische Veränderungen im Sinne einer systemischen Inflammationsreaktion,
die oft gemeinsam vorliegen. Diese Leitlinie soll evidenzbasierte Empfehlungen zur
Erkennung und ggf. multimodalen Behandlung von Ernährungs- und Stoffwechselstörungen
bei Tumorpatienten geben.
Methodik: Es wurden eine systematische Literaturrecherche sowie eine Handsuche zu Literatur
über Ernährungs- und Stoffwechelstörungen bei Tumorpatienten durchgeführt. Die Ergebnisse
wurden in einer interdisziplinären Arbeitsgruppe aus Ärzten, Ernährungswissenschaftlern
und Diätassistenten diskutiert und bewertet. Auf dieser Basis wurden von der Arbeitsgruppe
Empfehlungen erarbeitet, die auf der Konsensuskonferenz am 18. und 19. Oktober 2013
vorgestellt, diskutiert, z. T. modifiziert und verabschiedet wurden.
Ergebnisse: Die Leitlinie enthält 48 Empfehlungen zur klinischen Ernährung in der Onkologie.
Zur frühzeitigen Erfassung von Ernährungsstörungen sollen valide Screeningverfahren
eingesetzt und bei Auffälligkeiten im Screening durch ein gezieltes Assessment ergänzt
werden. Grundsätzlich soll eine ausreichende Energie- und Eiweißzufuhr gesichert werden.
Hierzu eignen sich die Linderung ernährungsrelevanter Symptome sowie ein der individuellen
Situation angemessener Einsatz professioneller Ernährungsberatung inkl. oraler bilanzierter
Diäten (Trinknahrungen), Sondenernährung bzw. intravenöser Ernährung. Jede Ernährungsbetreuung
sollte zum Aufbau der Muskelmasse von bewegungstherapeutischen Maßnahmen begleitet
werden. Bei Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung können medikamentöse Substanzen
zur Steigerung des Appetits, zur Vergrößerung der Muskelmasse und zur Minderung der
Inflammationsreaktion erwogen werden. Während einer Bestrahlung im Kopf-Hals-Bereich
ist frühzeitig der Einsatz von Trinknahrungen und ggf. einer Sondenernährung in Betracht
zu ziehen, um den Energiebedarf zu sichern und eine Unterbrechung der Bestrahlung
zu verhindern. Während einer medikamentösen Tumorbehandlung gilt analog, dass eine
ausreichende Nahrungszufuhr gesichert werden soll, ggf. unter Anwendung einer enteralen
und/oder parenteralen Nahrungszufuhr. Nach kurativer Tumorbehandlung werden regelmäßige
körperliche Aktivität sowie eine die Bedarfsdeckung nicht übersteigende Energiezufuhr
empfohlen. Abhängig von der Erkrankungsprognose sollte auch bei unheilbar kranken
Tumorpatienten auf eine ausreichende Nahrungsaufnahme geachtet werden, während in
der Sterbephase die Zufuhr von Nahrung und Flüssigkeit allein symptomorientiert erfolgen
soll.
Schlussfolgerung: Durchgehende Aufmerksamkeit für mögliche Ernährungsstörungen sowie eine der jeweiligen
Situation angemessene Ernährungsbehandlung sollen Teil der Supportivbetreuung jedes
Tumorpatienten sein, um die Körperreserven, die Therapietoleranz, den Erkrankungsverlauf
und die Lebensqualität günstig zu beeinflussen.
Abstract
Aim: In cancer patients, tumor- and treatment-associated factors may promote malnutrition.
Inadequate food intake, diminished physical activity and metabolic catabolic derangements
(systemic inflammation) are major clinical problems; they are often present simultaneously.
This guideline presents evidence-based recommendations for detection and multi-modal
treatment of nutritional and metabolic problems in cancer patients.
Methods: This guideline is based on a systematic literature search and hand-searches of relevant
literature by experts. Results were discussed and evaluated by a group of physicians,
nutritionists and dieticians. Clinical recommendations derived by the group were presented,
discussed, adapted and finally adopted during a consensus conference on 18 – 19 October
2013.
Results: This guideline is composed of 48 recommendations dealing with clinical nutrition in
cancer patients. To detect nutritional problems early, we recommend screening for
malnutrition in all cancer patients; abnormal screening should be followed by dedicated
nutrition assessment. Generally, an adequate intake of energy and protein should be
ensured. This may be achieved by treatment of nutrition impact symptoms and the appropriate
and if necessary escalating use of nutrition counseling, oral nutritional supplements
(ONS), tube feedings and/or intravenous nutrition. To improve muscle mass, nutritional
care should always be accompanied by exercise training. In patients with advanced
cancer, pharmacological agents may be considered to improve appetite, muscle mass
and systemic inflammation. During radiotherapy of head and neck cancers the appropriate
use of ONS or tube feedings should not be missed to ensure continuity of an adequate
energy intake and to avoid interruptions of the treatment. Similarly, during anticancer
drug treatment an adequate provision of energy should be ensured, if necessary by
applying nutrition by enteral or parenteral routes. Cancer survivors should be physically
active and balance energy intake with requirements. Depending on life expectancy,
also in incurable cancer patients an adequate nutritional supply should be provided.
However, during the dying phase nutrition and fluids should only be supplied as required
to alleviate symptoms.
Conclusion: Supportive care of all cancer patients should always include continuous attention
to potential nutritional problems and if necessary early and adequate nutritional
support. This is aimed at improving body resources, the tolerance of anticancer treatments,
the overall prognosis and the patients’ quality of life.
Schlüsselwörter Tumor - Ernährung - Mangelernährung - Sarkopenie - Kachexie - Bestrahlung - Chemotherapie
- Palliativbehandlung - Ernährungstherapie - Ernährungsberatung - Trinknahrung - künstliche
Ernährung
Keywords cancer - nutrition - malnutrition - sarcopenia - cachexia - radiotherapy - chemotherapy
- palliative care - nutrition support - nutrition counseling - oral nutritional supplement
- artificial nutrition