ergopraxis 2015; 8(06): 51
DOI: 10.1055/s-0035-1555744
rezensionen
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Evolutionspädagogik – Einseitige Sichtweise

Contributor(s):
L. Koneberg
,
S. Gramer-Rottler

Subject Editor:
Further Information

Publication History

Publication Date:
12 June 2015 (online)

Zoom Image

Zwei Pädagogen üben in ihrem neuesten Buch eine undifferenzierte Pauschalkritik am bestehenden Schulsystem und der heutigen Pädagogik. Sie setzen Letzterer eine neue Spielart der uralten (angeblich) natürlichen, weisungslosen Pädagogik entgegen. Die Autoren wünschen eine Veränderung von der Anpassungs- hin zur Entfaltungspädagogik, die nach ihrer Meinung auf der Evolutionslehre beruhen soll. Nach dieser Lehre durchläuft jeder Mensch in seiner Entwicklung die Stufen der Evolution (Fisch, Amphibie, Reptil, Säugetier usw.). Jeder Stufe ordnen die Autoren Eigenschaften zu, so dem Fisch das Urvertrauen. Sie halten die momentane Lehre und Beurteilung von Schülern für defizitorientiert und fordern ein Bildungssystem, in dem Lernen nach Interesse und Begabung erfolgt. Treten Probleme auf, müsse man diese nur auf der dem Buch beigefügten „Diagnosescheibe“ suchen und die zugeordnete Bewegungsübung durchführen.

Der Ansatz, demzufolge Ergotherapeuten übrigens auf der Reptil-Ebene (Körpersicher-heit/Kraft) arbeiten, ist eine grobe Versim-plifizierung komplexer Sachverhalte. Den sich häufig wiederholenden Ausführungen fehlt jede stringente Gedankenentwicklung. Dieser als Handbuch deklarierte Aufruf zur Umkehr wartet mit dem Versprechen einer schnellen, einfachen Abhilfe für alle pädagogischen Probleme auf, selbst für die zukünftigen. Die Autoren vermitteln ihr Ansinnen in meist reduzierter Sprache, wohl in der Annahme, die Betroffenen damit besser erreichen zu können.

Das Buch ist aus einseitiger Sicht geschrieben und wird dem Anspruch, ein Eltern-Schüler-Training zu bieten, in keiner Weise gerecht.

Susanne Harder-Sdzuj, BcOT (NL), Ergotherapeutin aus Greifswald