Suchttherapie 2015; 16 - S_03_02
DOI: 10.1055/s-0035-1557508

Wie wirkt sich die Anwendung einer systematischen Zuweisungsleitlinie im Alkoholentzug auf den Alkoholkonsum sechs Monate nach Abschluss der Behandlung aus?

D Piontek 1, A Friedrichs 2, B Kahl 2, J Röhrig 3, F Rist 4, M Berner 3, L Kraus 1, A Buchholz 2
  • 1IFT Institut für Therapieforschung, München
  • 2Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, UKE
  • 3Universitätsklinikum Freiburg
  • 4Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, WWU Münster
  • 5Universitätsklinikum Freiburg

Einleitung: In dem BMBF-geförderten Projekt MATE-LOC (Förderkennzeichen 01GY1114) wurde eine niederländische Zuweisungsleitlinie für den Einsatz im qualifizierten Entzug überprüft, mit deren Hilfe Patienten mit substanzbezogenen Störungen anhand der Kriterien Anzahl vorheriger Suchtbehandlungen, Schweregrad der Abhängigkeit, Schweregrad psychiatrischer Komorbidität und soziale Integration vier Behandlungsintensitäten (sog. Levels of Care; LOC) empfohlen werden können. Überprüft wurde dabei, ob die Implementierung einer Zuweisungsleitlinie sowie eines Rückmeldegesprächs mit dem Patienten eine Reduktion der Trinktage oder der gesundheitsökonomischen Kosten 6 Monate nach Behandlungsende bewirken kann.

Methoden: In vier deutschen Kliniken, die eine stationäre qualifizierte Entzugsbehandlung anbieten, sollten Daten von 268 Patienten erhoben werden. Es erfolgten Messungen zu Beginn der Behandlung (Patientenfragebogen), nach Abklingen der körperlichen Entzugsbeschwerden (Interview mit dem Patienten), am Ende der Behandlung (Dokumentation aus der Patientenakte), sowie sechs Monate nach Ende der Behandlung (telefonische Katamnesebefragung). Die Messinstrumente beinhalteten u.a. den Measurements in the Addictions for Triage and Evaluation (MATE), mit dem der Substanzkonsum 30 Tage vor Behandlung sowie zum Katamnesezeitpunkt erfasst wurde. Patienten der Interventionsgruppe (IG) erhielten nach dem Patienteninterview ein Rückmeldegespräch mit einer Weiterbehandlungsempfehlung, die auf den Ergebnissen des Interviews nach Rücksprache mit dem Behandlungsteam basierte. Patienten der Kontrollgruppe (KG) wurden wie gewohnt behandelt und erhielten bei Interesse eine allgemeine Ergebnisrückmeldung.

Ergebnisse: Insgesamt wurden 250 Patienten in die Auswertung einbezogen (nIG = 123; nKG = 127). Zur Katamnese wurden 167 Patienten erreicht (nIG = 86; nKG = 81; 66% Responsrate). In der per protocol-Analyse ergab sich zur 6-Monats Katamnese eine signifikante Reduktion in der Anzahl der Tage mit hohem Konsum (Mt0 = 22,7; SDt0 = 9,1; Mt1 = 4,5; SDt1 = 8,2; p < 0,001). Eine ANCOVA unter Einbezug der Baseline-Werte als Kovariate ergab keine Unterschiede zwischen IG und KG. 53% der Patienten (n = 88) berichteten zur Katamnese, abstinent zu sein. Auch in Bezug auf die Abstinenz ergaben sich zwischen IG und KG keine Unterschiede. Differenziertere Analysen werden beim Kongress präsentiert.

Diskussion: Ein direkter Effekt der Intervention auf eine Konsumreduktion konnte in der per protocol Analyse nicht nachgewiesen werden. Weitergehende Analysen werden den Einfluss potentieller Veränderungen des zugrundeliegenden Zuweisungsalgorithmus einschließen.