Suchttherapie 2015; 16 - S_04_01
DOI: 10.1055/s-0035-1557511

Alkohol, Therapieziele, Medizinische Rehabilitation

J Lindenmeyer 1
  • 1Salus Klinik Lindow

Einleitung: Pharmakologische Studien haben der Trinkmengenreduktion als gleichwertige Behandlungsalternative zur Abstinenzorientierung in der Behandlung von Alkoholabhängigen neuen Auftrieb gegeben. Argumentiert wird, dass durch diesen Paradigmenwechsel endlich ein spürbar größerer Anteil von Alkoholabhängigen für eine Behandlung gewonnen werden könnte. Schließlich wird geltend gemacht, dass es aus ethischen Gründen geboten sei, Patienten frei über ihre Therapieziele entscheiden zu lassen. Auf der anderen Seite haben Fortschritte der Neurobiologie den Blick auf die suchtbedingten Einschränkungen der Willensfreiheit von Alkoholabhängigen gelenkt.

Methoden: Vor diesem Hintergrund untersucht der Vortrag, ob der aktuelle Stand der neuropsychologischen Suchtforschung geeignet ist, einen Beitrag zur Diskussion über Abstinenz als Therapieziel in der Behandlung von Alkoholabhängigen zu begründen, und welcher Forschungsbedarf in dieser Hinsicht weiterhin besteht. Hierzu wird eine Überblick zu Studienergebnissen hinsichtlich der Paradigmen der Cue-reactivity, der neurophysiologischen Sensitivierung, der Kognitiven Kontrolle versus Impulsivität, des Delay Discounting, des Pavlowsch-Instrumentellen Transfereffektes (PIT) und der Implizierten Informationsverarbeitung (implicit cognition) bei Alkoholabhängigen gegeben.

Ergebnisse: Die Studienergebnisse stützen die Existenz von überdauernden Veränderungen in der Informationsverarbeitung bei Alkoholabhängigen, die den Betroffenen teilweise nicht bewusst sind, in rückfallkritischen Momenten aber mit einer situativen Einschränkung der rationalen Selbstkontrolle durch automatisierte, suchtmittelbezogene Informations- und Appetenz-Prozesse einhergehen. Allerdings liegen bislang nur sehr wenige Untersuchungen darüber vor, wie sich diese Prozesse bei dem erneuten Konsum von Alkohol auswirken würden.

Diskussion: Die bislang vorliegenden Ergebnisse stützen deutlich Abstinenz als vorrangig zu empfehlendes Therapieziel in der Behandlung von Alkoholabhängigen. Studien zur Informationsverarbeitung unter Alkoholwirkung wären allerdings wünschenswert.