Suchttherapie 2015; 16 - S_04_03
DOI: 10.1055/s-0035-1557513

Was benötigt der Patient? – Erfordernisse einer indikationsgeleiteten und vernetzten Behandlungsstruktur

W Funke 1
  • 1Kliniken Wied

Einleitung: Mit Erscheinen der neuen S3-Leitlinien zur Behandlung der Alkoholabhängigkeit werden wissenschaftliche Befundlage und klinischer Konsens zusammengeführt zu Empfehlungen und Vorgaben für eine fachgerechte Vorgehensweise in der Patientenversorgung. Die dortigen Überlegungen wurden im Entwicklungsprozess auch mit Patientenorganisationen, v.a. der Selbsthilfe, konsentiert. In der Etablierung einer zielführenden Arbeitsbeziehung als Grundlage einer adhärenten und motivierten Beteiligung des jeweiligen Patienten für eine erfolgversprechende Intervention spielen die vereinbarten Ziele und eine Kosten-Nutzen-Abwägung für den Patienten eine bedeutsame Rolle. Im vorliegenden Beitrag wird diese Patientensicht anhand verschiedener Datenquellen zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Interventionskette näher beleuchtet und mit therapiestrategischen Aspekten verbunden. Eine besondere Herausforderung stellt hierbei die Behandlung von Patienten mit komorbiden psychischen Störungen dar.

Methoden: Analysiert wurden beispielhaft die Daten aus zwei Behandlungsjahrgängen einer stationären Einrichtung für die medizinische Rehabilitation bei Abhängigkeitsstörungen im Rahmen einer explorativen Strategie zu Beginn, zum Ende und zwölf Monate nach einer entsprechenden Maßnahme (N = 1538; 75% Männer; Hauptdiagnose Alkohol 60%; 42% mit Suchtproblematik bei Personen im nahen sozialen Umfeld). Neben einer Einschätzung des Behandlungsbedarfs in somatischer, psychischer und sozialer Hinsicht (Reha-Bedarfs-Index) wird die Passung und Zielerreichung aus Patientensicht fokussiert. Katamnestische Daten ein Jahr nach Abschluss der Maßnahme geben Aufschluss über einen langfristigen Behandlungserfolg für unterschiedliche Rehabilitandengruppen.

Ergebnisse: Die Ergebnisse sprechen für eine differenzierte und individualisierte Herangehensweise in der Zusammenstellung von Behandlungsbausteinen. Dies begrenzt aus fachlicher Sicht die Möglichkeiten der Standardisierung von Behandlungen alleine auf der Basis von diagnostischen Eingangsdaten, wie sie in Fallgruppenkonzepten favorisiert sind. Sowohl im Hinblick auf eine planmäßige bzw. reguläre Beendigung der Maßnahme als auch bezogen auf Komplikationen während der Behandlung (z.B. Rückfallgeschehen bzw. erneuter Konsum) zeigen sich Unterschiede zwischen den Patientengruppen sowohl bezogen auf den weiteren Verlauf als auch auf Behandlungsaufwand und -ergebnis.

Diskussion: Die Ergebnisse legen nahe, neben einer fallgruppenorientierten Einschätzung des Behandlungsaufwands auch verlaufsbezogene Parameter und damit Kriterien der Prozessqualität einfließen zu lassen, wenn die Angemessenheit und der Aufwand einer Maßnahme bewertet werden sollen. Aus Patientensicht dürften auch die Qualität im Umgang mit Komplikationen und die flexible Zielverfolgung seitens der Behandler wichtige Gütekriterien sein, die den subjektiven Grad der Zufriedenheit und der Einschätzung des Behandlungserfolgs entscheidend mitbestimmen.