Suchttherapie 2015; 16 - S_05_03
DOI: 10.1055/s-0035-1557517

Geschlechts- und pubertätsbezogene Entwicklungsprozesse: Beeinflussen Sie die Wirksamkeit des suchtpräventiven Lebenskompetenzenprogramms IPSY?

K Weichold 1, A Blumenthal 1
  • 1Psychologisches Institut, Universität Jena

Einleitung: Während der Pubertät sind Jugendliche großen Herausforderungen ausgesetzt, insbesondere im Zuge der fortschreitenden körperlichen Entwicklung und der damit verbundenen Entwicklung der Geschlechtsidentität. Obwohl Forschungsbefunde zeigen, dass teilweise spezifische Risikomechanismen nach Geschlecht und dem Timing der körperlichen Entwicklung den Konsum psychoaktiver Substanzen bei Jugendlichen vorhersagen, werden diese im Rahmen universeller Präventionsprogramme nur selten berücksichtigt – vielmehr werden auf breiter Ebene allgemeine intra- und interpersonale Kompetenzen und Wissen gefördert. In der vorliegenden Studie wird geprüft, inwieweit die Effekte eines universellen suchtpräventiven Lebenskompetenzenprogramms auf Kompetenzen und Substanzkonsum bei Jugendlichen nach Geschlecht und körperlichem Entwicklungstempo variieren.

Methoden: Das suchtpräventive Lebenskompetenzenprogramm IPSY (Information + Psychosoziale Kompetenz = Schutz; implementiert in Klassenstufe 5 bis 7) wurde anhand eines quasiexperimentellen längsschnittlichen Kontroll-Versuchsgruppendesigns über einen Zeitraum von 10 Jahren evaluiert (N = 1.800, 10,5 Jahre zu T1). Datenerhebungen erfolgten in Form von Fragebogenerhebungen. Im ersten Schritt wurde die allgemeine Effektivität des Programms auf Kompetenzen, Wissen und Substanzkonsum geprüft, im zweiten Schritt die Moderation der Effekte durch Geschlecht und pubertäres Entwicklungstempo mittels varianzanalytischer Verfahren.

Ergebnisse: Die Ergebnisse bestätigen eine allgemeine langfristige Effektivität des Programms, indem Jugendliche der Versuchsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe über mehr Kompetenzen und Wissen im Laufe des Jugendalters verfügen und später weniger Substanzen konsumieren (Alkohol, Tabak, illegale Drogen). Die Ergebnisse der Moderatorenanalysen in Abhängigkeit von Geschlecht ergaben, dass das Programm sowohl bei Jungen als auch Mädchen effizient ist. Es ergaben sich jedoch zusätzliche Effekte bei Mädchen im Hinblick auf die Förderung interpersonaler Kompetenzen. Im Hinblick auf das körperliche Entwicklungstempo ergaben sich dem gegenüber differenzielle Programmeffekte, indem beispielsweise besonders Jungen und Mädchen mit früher körperlicher Reife vom Programm profitierten.

Diskussion: Die Studie impliziert, dass ein suchtpräventives Lebenskompetenzenprogramm, das auf breiter Ebene eher allgemeine Risikofaktoren zu beeinflussen versucht, ohne geschlechtsspezifische Komponenten zu beinhalten oder besondere Belastungen oder Risikomechanismen zum Substanzkonsum im Zuge der Pubertät zu berücksichtigen, für die Mehrheit der Jugendlichen effizient sein kann. Dies mag daran liegen, dass das Programm IPSY eine große Bandbreite verschiedener Risikofaktoren angeht, die gruppenspezifische Risikomechanismen (teilweise) mit abdecken.