Suchttherapie 2015; 16 - S_09_02
DOI: 10.1055/s-0035-1557531

Vermittelt das Klassenklima den Peer-Einfluss auf jugendlichen Substanzkonsum?

S Tomczyk 1, R Hanewinkel 1, B Isensee 1
  • 1Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung, IFT-Nord, Kiel

Einleitung: Schulische Variablen haben großen Einfluss auf den Substanzkonsum von Schüler/-innen. Wohlfühlen im Klassenverband beispielsweise reduziert den Konsum und führt zu einem geringeren Anteil konsumierender Schüler/-innen. Schule gilt als wichtiger Entwicklungskontext, da Kinder und Jugendliche einen Großteil ihres Alltags in der Schule verbringen. Gleichsam entstehen viele Freundschaften im schulischen Kontext in der Begegnung mit Peers: Konsum und Einstellung der Peers sind zwei der stabilsten und besten Prädiktoren für jugendlichen Konsum. Das Zusammenwirken von Peer-Konsum und dem Klassenklima auf jugendlichen Konsum ist bislang ungeklärt. Angenommen wird, dass der Einfluss von Peers teilweise durch das Klima in der Klasse vermittelt wird, das Schüler/-innen zur Bildung einer an ihren Peers ausgerichteten sozialen Norm anregt.

Methoden: 2.231 Jugendliche (Alter im Mittel = 13,37 Jahre, SD = 1,38) der 8. Klassenstufe wurden zum eigenen und Peer-Konsumverhalten sowie zum wahrgenommenen Klassenklima befragt. Untersucht wurde ein Mediationsmodell für die Beziehung von sozialer Peer-Norm (Konsum der Freunde) und Beginn sowie Häufigkeit des Substanzkonsums (Alkohol) mit dem Klassenklima als Mediator. Als Kontrollvariablen wurden Alter, Geschlecht, Sensation Seeking, Schultyp und sozioökonomischer Status (SES) der Jugendlichen aufgenommen.

Ergebnisse: Zwischen dem Klassenklima, der Peer-Norm und dem eigenen Substanzkonsum konnten signifikante Assoziationen bestätigt werden. Ein geringer, aber signifikanter Teil des Peer-Einflusses auf den Substanzkonsum wurde dabei durch das Klassenklima vermittelt. Geschlecht und SES der Schüler/-innen nahmen signifikant Einfluss auf die Stärke der Zusammenhänge für die Häufigkeit des Alkoholkonsums.

Der Zusammenhang zwischen dem Einfluss der Peers und dem Konsum Jugendlicher wird teilweise durch das Klassenklima vermittelt, wobei ein positives Klassenklima einen protektiven Einfluss auf den Substanzkonsum hat. Diese Mediation wird für die Häufigkeit von Alkoholkonsum durch Geschlecht und SES moderiert: Für Jungen ist der Zusammenhang zwischen Klassenklima und Konsum signifikant höher als für Mädchen, während für Jugendliche mit höherem SES der Zusammenhang zwischen Peer- und eigenem Konsum im Vergleich zu Jugendlichen mit niedrigerem SES signifikant erhöht ist.

Diskussion: Für die schulbasierte Prävention lässt sich ableiten, dass der große Einfluss der Peers auf Jugendliche durch gemeinschaftsfördernde Ansätze modifiziert werden könnte. Präventive Maßnahmen sollten deshalb neben individuellen Anregungen auch den Klassenverband berücksichtigen.

Förderhinweis: Deutsche Krebshilfe e.V. (Förderzeichen: 108374 und 110493).