Suchttherapie 2015; 16 - S_12_02
DOI: 10.1055/s-0035-1557542

Kosten des Cannabiskonsums in Deutschland

T Effertz 1
  • 1Universität Hamburg

Einleitung: Um die negativen Auswirkungen des Cannabiskonsums sinnvoll im Rahmen ökonomischer Kosten-Nutzen-Entscheidungen beurteilen und in gesundheitspolitische Entscheidungen einbringen zu können, ist es notwendig, die ursächlich mit dem Konsum in Verbindung stehenden Kosten vollständig zu erfassen und zu quantifizieren. Dies erfolgt üblicherweise durch die Krankheitskostenrechnung in Form von konsumbedingten medizinischen Kosten, Produktivitätsausfällen und intangiblen Kosten wie „Schmerz und Leid“. Ziel dieses Beitrages ist es, einen Überblick über die ökonomischen Kosten des Cannabiskonsums in Deutschland zu geben sowie auf mögliche Kostenentwicklungen bei Änderung der Drogenpolitik einzugehen.

Methoden: Zur Identifizierung von schädlich Cannabis konsumierenden Individuen und deren Kosten im Gesundheitssystem wurde eine Stichprobe der Techniker Krankenkasse mit 146.000 Versicherten genutzt. In der Stichprobe lag bei 1.245 Personen eine auf schädlichen Cannabiskonsum hinweisende Diagnose (ICD10-Code F12) vor. Unter Berücksichtigung einer Reihe von Kontrollfaktoren wurden mithilfe geeigneter statistischer Regressionsmodelle die kausal auf Cannabis zurückführbaren Zusatzkosten im Gesundheitssektor sowie weitere produktivitätsrelevante und intangible Beeinträchtigungen ermittelt. Die intangiblen Größen wurden über codierte Schmerz-, Depressions-, und Erschöpfungsdiagnosen aus den Routinedaten erfasst.

Ergebnisse: Schädlich Cannabis konsumierende Versicherte verursachen 1.068 € höhere Zusatzkosten allein in der gesetzlichen Krankenversicherung pro Konsument und Jahr. Unterstellt, dass Cannabis geraucht wird, ergeben sich weitere Zusatzkosten. Schädlich Cannabis konsumierende Versicherte neigen ebenfalls signifikant stärker zu schädlichem Alkoholkonsum und verursachen Produktivitätseinbußen in Höhe von insgesamt 108 Mio. € pro Jahr. Schließlich zeigen die Befunde auch signifikant erhöhte intangible Einbußen in Form von Antriebslosigkeit/Erschöpfung, Depression und auch Schmerzen. Gemäß dem ökonomischen Prinzip der Nachfrage, dass bei unterschiedlichen Legalisierungsszenarios der Preis von Cannabis sinkt und dadurch die nachgefragte Menge zunimmt, ergeben sich entsprechend weitere Zusatzkosten.

Diskussion: Cannabiskonsum ist mit einer Vielzahl an Risiken und Kosten verbunden, die bei möglichen Veränderungen in der Drogenpolitik sorgfältig bedacht werden müssen. Angesichts dieser Kosten und des wahrscheinlichen Anstiegs des Cannabiskonsums bei teilweiser oder kompletter Legalisierung sowie der dann noch zu erwartenden Aufwendungen für Kriminalitätsbekämpfung in Form der Verfolgung und Ahndung von Steuerhinterziehungen und Schmuggel, erscheinen die oft diskutierten Vorteile einer Freigabe von Cannabis mehr als fragwürdig. Alternative sinnvolle Instrumente zur Bekämpfung des Problems „Cannabiskonsum“ sollten stärker fokussiert werden, etwa die Steuern auf das Komplementärgut Alkohol deutlich zu erhöhen.