Suchttherapie 2015; 16 - S_17_01
DOI: 10.1055/s-0035-1557561

Assoziatives Lernen und Konditionierungsprozesse im Kontext der Entwicklung und Aufrechterhaltung einer Internetsexsucht

J Snagowski 1, C Laier 1, T Duka 3, M Brand 1, 2
  • 1Allgemeine Psychologie: Kognition, Universität Duisburg-Essen
  • 2Erwin L. Hahn Institute for Magnetic Resonance Imaging, Essen
  • 3School of Psychology, University of Sussex, United Kingdom

Einleitung: Die Klassifikation des Phänomens Internetsucht, im Rahmen derer Internetsexsucht eine spezifische Form darstellt, wird kontrovers diskutiert. Vermehrt wird jedoch auf Ähnlichkeiten zwischen Internetsexsucht und Substanzabhängigkeiten sowie anderen Verhaltenssüchten hingewiesen. Gut dokumentiert ist, dass assoziatives Lernen und Konditionierungsprozesse wichtige Mechanismen bei der Entwicklung und Aufrechterhaltung von Substanzabhängigkeiten darstellen. Weiterhin spielen neuropsychologische Prozesse bei der Verarbeitung von sexuellen Reizen eine zentrale Rolle. Die angenommene Vergleichbarkeit zwischen Verhaltenssüchten und Subtanzabhängigkeiten wird durch die bereits in Studien beobachtete Konditionierbarkeit sexueller Erregung gestützt. Ziel dieser Studie ist es deshalb zu untersuchen, ob assoziatives Lernen und Konditionierungsprozesse auch im Rahmen der Entwicklung und Aufrechterhaltung einer Internetsexsucht eine Rolle spielen.

Methoden: In der vorliegenden Studie, die in zwei Untersuchungen unterteilt ist (n = 86, n = 20), wurde ein Standard Pavlovian to Instrumental Transfer Task (S-PIT) als etabliertes Paradigma der Suchtforschung mit pornographischen Bildern modifiziert (S-PITsex). Der S-PITsex misst assoziatives Lernen sowie Konditionierungsprozesse in Bezug auf pornografische und neutrale Stimuli. Hierbei werden im Rahmen einer Lernphase pornografische Bilder mit einem CS+ und neutrale mit einem CS- assoziiert. Im Anschluss werden CS+ und CS- hinsichtlich Appetenz und sexueller Erregung evaluiert. In der zweiten Untersuchung wurden zusätzlich Hautleitfähigkeitsreaktionen als implizites Erregungsmaß aufgezeichnet. Darüber hinaus wurden die Tendenz zur Internetsexsucht, generell problematisches Sexualverhalten sowie subjektives Craving in Bezug auf pornographische Bilder erfasst.

Ergebnisse: Die Ergebnisse aus Untersuchung 1 zeigen, dass der CS+ im Vergleich zum CS- nach der Lernphase signifikant appetetiver (t(85)= 2,15; p = 0,035; d = 0,24) und sexuell erregender (t(85)= 3,32; p = 0,001; d = 0,42) bewertet wurde. Darüber hinaus konnte ein signifikanter Einfluss von subjektivem Craving auf die Tendenz zur Internetsexsucht festgestellt werden, der durch die subjektive sexuelle Erregung des CS+ nach der Lernphase moderiert wurde (F(3,82)= 6,99, p < 0,001). Die Hautleitfähigkeitsreaktionen aus Untersuchung 2 verdeutlichen diese Ergebnisse. Es konnte ein signifikanter Einfluss von generell problematischem Sexualverhalten auf die Tendenz zur Internetsexsucht beobachtet werden, der durch Hautleitfähigkeitsreaktionen auf die Präsentation des CS+ nach der Lernphase moderiert wurde (F(3,17)= 5,57, p < 0,001).

Diskussion: Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Kontingenzen der Aufgabe gelernt wurden und eine Erregungsübertragung von pornographischen Bildern auf den CS+ stattgefunden hat. Darüber hinaus legen die Verbindungen zwischen den untersuchten Lernprozessen und der Tendenz zur Internetsexsucht nahe, dass assoziatives Lernen und Konditionierungsprozesse Mechanismen in Bezug auf die Entwicklung und Aufrechterhaltung einer Internetsexsucht darstellen könnten. Diese Ergebnisse sind analog zu Studien der Substanzabhängigkeitsforschung und stützen somit den Vorschlag Internetsexsucht als Verhaltenssucht zu klassifizieren.