Suchttherapie 2015; 16 - S_31_03
DOI: 10.1055/s-0035-1557616

Auswirkungen pränatalen Crystal Meth Konsums auf das Kind – eine systematische Literaturrecherche

S Mühlig 1, F Haarig 1, A Gusakova 1, C Walter 1
  • 1Technische Universität Chemnitz

Einleitung: Klinische Erfahrungen und erste Studienergebnisse zeigen, dass der Konsum von Crystal Meth mit Reduktion von exekutiver Kontrolle (Enthemmung, eingeschränkte Steuerung), Steigerung der sexuellen Appetenz und riskantem Sexualverhalten (wechselnde Partnerschaften, ungeschützter Geschlechtsverkehr, Prostitution für Drogen) einhergeht (Kurzweg, 2007; Steinberg et al., 2007; Zapata et al., 2008). Eine Folge dieser spezifischen direkten und indirekten Substanzeffekte spiegelt sich in einer überproportionalen Anzahl ungeplanter Schwangerschaften junger Crystal-konsumierender Frauen wider, die mit erheblichen prä- und postnatalen Auswirkungen auf das Kind einhergehen.

Methoden: Zielstellung:

  • Systematische Literaturrecherche zur Identifikation von Studien zu den Auswirkungen von Crystal Meth auf den Fötus während der Schwangerschaft und auf das Neugeborerene und Kleinkind nach der Geburt (Deprivation, Misshandlung);

  • Ableitung von Implikationen für die aktuelle Versorgungssituation (Zielgruppenorientierung). Studieneinschlusskriterien:

    • Humanstudien,

    • Crystal-Konsum der Mutter während der Schwangerschaft (Nachweis durch Screening oder Selbstangabe) und Konsum junger (alleinerziehender) Mütter,

    • erlaubt: Missbrauch anderer psychotroper Substanzen,

    • Fokus der Untersuchung auf Auswirkungen auf das exponierte Kind.

Ergebnisse: Unter 13.258 Suchtreffern ließen sich in der Datenbankrecherche 18 relevante Studien (33 Publikationen) identifizieren. Auswirkungen sind vor allem physiologisch (u.a. Entzugserscheinungen, Tachypnea, Herzratenverlangsamung, Geburtsdefekte), neuronal (u.a. Veränderungen im striatalen, limbischen und frontalen Regionen, im Thalamus und in der frontalen weißen Substanz), kognitiv (u.a. Inhibitionsdefizite, Defizite im verbalen und räumlichen Gedächtnis), entwicklungsbezogen (u.a. häufigerer Säuglings- und Kindstod, höheres Frühgeburtsrisiko, Defizite in mentaler Entwicklung) und affektiv (u.a. Aggressivität, starke emotionale Reaktivität, Ängstlichkeit, erhöhtes Stresserleben). Zudem ergeben sich weitere Begleitprobleme in mütterlicher Depression, erhöhter physischer/sexueller Misshandlung, geringerer Schwangerschaftsvorsorge und höherem Gebäralter. Diskussion: Die negativen Auswirkungen pränatalen Crystal Meth Konsums betreffen die physische und psychische Entwicklung in der frühen Kindheit sowie Langzeitfolgen. Spezielle Interventionen sollten die Mitbehandlung von Kindern und Vorsorgemaßnahmen bereits zu Beginn der Schwangerschaft (u.a. Drogenscreening, Familienhilfe, Vernetzung mit Jugendämtern) integrieren.