Suchttherapie 2015; 16 - S_35_03
DOI: 10.1055/s-0035-1557633

Kumulative Abstinenzdauer bei hoch rückfallgefährdeten Alkoholikern während intensiver ambulanter Therapie mit Disulfiram

U Zimmermann 1, M Spreer 1, P Winkelmann 1, S Neumann 1, P Keßner 1
  • 1Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Technische Universität Dresden

Einleitung: Spätestens seit dem Erlöschen der Zulassung 2011 wird Disulfiram nur noch von wenigen Zentren eingesetzt. Hier soll seine Wirksamkeit spezifisch bei hoch rückfallgefährdeten Patienten beschrieben werden.

Methoden: Stationär entgifteten alkoholabhängigen Patienten wurde eine Behandlung mit Disulfiram angeboten, wenn bisherige Behandlungsversuche nicht zu nennenswertem Abstinenzerfolg geführt hatte, obwohl:

  • mehr als 5 Abstinenzversuche mit Entgiftungsbehandlungen,

  • mindestens eine stationäre Rehabilitationstherapie,

  • mindestens ein suffizienter medikamentöser Behandlungsversuch mit Naltrexon oder Acamprosat stattgefunden hatte.

Die Patienten stellten sich anfänglich dreimal wöchentlich zur kontrollierten Einnahme vor, nach frühestens 3 Monaten konnten sie Disulfiram einmal wöchentlich selbständig zuhause einnehmen. Arztkontakte fanden durchgehend einmal wöchentlich statt.

Ergebnisse: Im Jahr vor der erstmaligen Behandlung mit Disulfiram lag die Abstinenzdauer nach Entgiftungen typischerweise bei wenigen Tagen bis Wochen. Mit der Einnahme von Disulfiram blieben die Patienten zwischen 1 und 47 Monaten (im Mittel 11 Monate) durchgehend in Therapie und abstinent. Ca. ein Drittel von ihnen erreichte das Therapieziel, Disulfiram in Absprache mit dem Arzt abzusetzen und trotzdem abstinent zu leben. Dies war nach einer mittleren Behandlungsdauer von 10 Monaten der Fall. Ein weiteres Drittel brach die Behandlung ohne Angabe von Gründen ab, nachdem sie im Durchschnitt 1 Jahr unter Disulfiram abstinent waren. Bei einem Sechstel war ein Rückfall Anlass zum Therapieabbruch, dies geschah im Mittel nach 6 Monaten. Die übrigen Patienten blieben im Mittel 8 Monate in Therapie. Bei 10% aller Patienten kam es zu einem oder mehreren eintägigen Trinkereignissen, die komplikationslos verliefen und nicht zu einem Therapieabbruch führten.

Diskussion: Bei der überwiegenden Mehrzahl der Patienten gelang es, kontinuierliche Abstinenz über mehr als 6 Monate zu erreichen, was deutlich länger als bei vorhergehenden Therapieversuchen war. Vorzeitige Therapieabbrüche durch die Patienten waren nicht mit kürzerer Behandlungsdauer assoziiert als geplante Therapieabschlüsse. Trinkereignisse entwickelten sich häufig nicht zu Rückfällen, da die Patienten wegen Alkoholunverträglichkeitsreaktionen die Klinik aufsuchten, sich nach wenigen Stunden wieder auf ihr Abstinenzziel besannen und dieses im Weiteren erfolgreich erreichten.