Suchttherapie 2015; 16 - S_38_03
DOI: 10.1055/s-0035-1557647

Cannabis und psychische Komorbidität sowie deren kognitive Folgen mit dem Schwerpunkt schizophrene Erkrankungen

M Jockers-Scherübl 1, T Wolf 1, J Rentzsch 2
  • 1Oberhavel Kliniken GmbH, Klinik Hennigsdorf
  • 2Charité Berlin

Einleitung: Cannabis ist die am häufigsten konsumierte illegale Substanz weltweit. Selbst bei sinkender Gesamtzahl der Konsumenten ist die Anzahl der heavy consumers gleichbleibend hoch. Dies kann zu komorbiden psychischen Störungen führen, von denen Schizophrenien die schwierigsten sind und sogar durch Cannabis ausgelöst werden können. Auch Depressionen, Angststörungen, das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ADHS und Persönlichkeitsstörungen treten komorbid auf. Für den Verlauf der Erkrankungen und möglicher kognitiver Folgen, selbst nach längerer Abstinenz, ist es nicht unerheblich, in welchem Alter der regelmäßige Cannabiskonsum beginnt. Die folgende Studie untersucht erstmals gleichzeitig mittels präattentiver kognitiver Parameter und neuropsychologischer Testungen, inwieweit sich Cannabiskonsumenten mit und ohne Schizophrenie in ihren kognitiven Leistungen unterscheiden.

Methoden: 119 zum Untersuchungszeitpunkt längerfristig abstinente Probanden (21 ansonsten gesunde Cannabiskonsumenten (CA), 54 gesunde Kontrollen (KG), 15 schizophrene Cannabiskonsumenten (SZC) und 29 schizophrene Probanden (SZ), wurden eingeschlossen. Neben einem Drogenscreening wurden sie ausführlich klinisch untersucht und erhielten neben Untersuchung der Mismatch Negativity (MMN) als präattentivem Parameter Testungen der Aufmerksamkeit, der geteilten Aufmerksamkeit, der psychomotorischen Geschwindigkeit und des Arbeitsgedächtnisses.

Ergebnisse: Frühere ansonsten gesunde Cannabiskonsumenten und gesunde Kontrollen zeigten im Mittel eine höhere MMN-Frequenz als die beiden Gruppen der schizophrenen Probanden, allerdings zeigte die Cannabis-Schizophreniegruppe (SZCA) eine höhere Frequenz als die reine Schizophreniegruppe (SZ). In der neuropsychologischen Testung zeigten sich auch insgesamt bessere Ergebnisse bei den nicht-schizophrenen Probanden mit und ohne früheren Cannabiskonsum als bei den schizophrenen Probandengruppen. Die schizophrenen Probanden mit vorangegangenem Cannabiskonsum waren aber insgesamt kognitiv besser als die ohne Cannabiskonsum.

Diskussion: Sowohl in der präattentiven Informationsverarbeitung als auch in den klassischen neuropsychologischen Testungen unterscheiden sich die schizophrenen Probandengruppen von den nicht-schizophrenen. Dabei hat chronischer Cannabiskonsum anscheinend einen differentiellen Einfluss auf kognitive Parameter bei den nicht-schizophrenen im Vergleich zu den schizophrenen Probanden. Dies könnte mit den vorbestehenden Unterschiedenen im Endocannabinoidsystem beider Gruppen zusammenhängen.