Suchttherapie 2015; 16 - S_41_02
DOI: 10.1055/s-0035-1557657

Frauen mit Posttraumatischer Belastungsstörung und substanzbezogener Störung – klinische Charakteristika

J Grundmann 1, A Lotzin 1, P Hiller 1, B Schneider 2, M Driessen 3, N Scherbaum 4, M Schäfer 5, T Hillemacher 6, I Schäfer 1
  • 1Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung Hamburg
  • 2Abteilung für Abhängigkeitserkrankungen, LVR-Klinik Köln
  • 3Klinik für Psychiatrie Bethel, Bielefeld
  • 4Klinik für abhängiges Verhalten und Suchtmed, LVR-Klinik Essen
  • 5Klinik für Psychiatrie, Kliniken Essen-Mitte
  • 6Klinik für Psychiatrie, Medizinische Hochschule Hannover

Einleitung: Substanzbezogene Störungen gehören zu den häufigsten komorbiden Störungen bei Personen mit posttraumatischer Belastungsstörung. Evidenzbasierte, integrative Behandlungsansätze für diese Komorbidität sind im deutschsprachigen Raum noch wenig verbreitet. Ein stabilisierendes Behandlungsprogramm („Sicherheit finden“) wird derzeit im Rahmen des CANSAS-Netzwerkes untersucht. Im Vortrag werden erste Daten zu klinischen Charakteristika der untersuchten Stichprobe sowie zu Zusammenhängen zwischen früher Traumatisierung bzw. PTBS und klinischen Variablen berichtet.

Methoden: Im Rahmen einer kontrollierten, randomisierten Studie werden in fünf Studienzentren insgesamt 342 Teilnehmerinnen in die Untersuchung eingeschlossen. Primäre Hypothese ist, dass die Intervention „Sicherheit finden“ einer aktiven Kontrollgruppe (Rückfallpräventionstraining) in Bezug auf die Reduktion der posttraumatischen Symptomatik sechs Monate nach Therapieende nicht unterlegen und gegenüber einer Wartekontrollgruppe überlegen ist. Die Studienassessments umfassen Selbst- und Fremdratings zu Psychopathologie, Kindheitstraumatisierung und Substanzkonsum (u.a. SKID-I, BDI, PDS, CTQ, ASI).

Ergebnisse: Bis zum Auswertungszeitpunkt wurden N = 432 Frauen gescreent, von denen N = 226 in die Studie eingeschlossen werden konnten (Durchschnittsalter: 41 Jahre, SD = 11). In der Posttraumatic Diagnostic Scale (PDS) gaben die Teilnehmerinnen 1 – 10 traumatische Erlebnisse an, M = 4,5. Sexuelle Übergriffe durch Familienmitglieder oder bekannte Personen wurden am häufigsten als am belastendsten identifiziert. Der durchschnittliche Summenscore der PTBS-Symptomatik lag bei Studieneintritt bei 27 (SD = 10). Im Childhood Trauma Questionnaire (CTQ) gaben 94% der Teilnehmerinnen an, mindestens eine Form von Missbrauch oder Vernachlässigung in der Kindheit erlebt zu haben. Mithilfe des BDI-II wurde bei Studieneintritt ein mittlerer Summenscore der Depressivität von 28 (SD = 12) gemessen, der einem mittelgradigen depressiven Syndrom entspricht. Die häufigsten aktuellen substanzbezogenen Störungen bestanden bezüglich Alkohol (45% der Teilnehmerinnen), Cannabis (19%), Sedativa (9%) und Opiaten (5%).

Diskussion: Die hohe Screeningzahl spricht für ein Interesse bei Betroffenen an einer integrativen Behandlung von substanzbezogener Störung und PTBS. Die häufig multiple und frühe Traumatisierung sowie das Vorliegen weiterer psychiatrischer Komorbidität deuten auf das hohe Ausmaß an Belastung dieser Gruppe von Patientinnen hin. Die am häufigsten konsumierten Substanzen könnten aufgrund ihrer dämpfenden Wirkung für einen Einsatz zum Umgang mit posttraumatischen Symptomen verstanden werden.