Suchttherapie 2015; 16 - S_41_03
DOI: 10.1055/s-0035-1557658

Prävention von Kindeswohlgefährdungen in Suchtfamilien durch das Screening von Risikofaktoren für Gewalt an Kindern

F Metzner 1, S Pawils 1
  • 1Abt. für Med. Psychologie, Uniklinik Hamburg-Eppendorf

Einleitung: Sucht innerhalb der Familie führt das familiäre System an Grenzen und manchmal darüber hinaus. Längsschnittstudien zeigen, dass bei Kindern und Jugendlichen aus Familien mit substanzmissbrauchenden Eltern ein erhöhtes Risiko vorliegt, Opfer von Gewalt zu werden. Sucht muss demnach nicht nur als Folge, sondern auch als Ursache von Gewalt verstanden werden.

Methoden: Zum Zusammenhang zwischen Sucht der Eltern und Gewalterfahrungen ihrer Kinder sowie zu suchtspezifischen Risikofaktoren für Gewalt an Kindern wurde ein systematisches Review mit Meta-Analyse durchgeführt. Ausgewertet wurden N = 3.679 weltweit publizierte Studien aus den sechs Datenbanken Medline, Embase, BIOSIS, PsycINFO, Psyndex und Web of Science (SSCI).

Um einen Überblick über die für den Kinderschutz vorliegenden Rahmenbedingungen in den Suchtberatungsstellen sowie über die Zusammenarbeit mit dem regionalen Jugendhilfesystem zu erhalten, wurden eine repräsentative Fragebogenstudie in N = 157 Suchtberatungsstellen in Deutschland durchgeführt. Ein mit Experten aus Hamburger Suchthilfeeinrichtungen entwickelter Screeningbogen für Kindeswohlgefährdung „Hamburger Belastungsbogen“, bestehend aus empirisch belegten sowie deutschlandweit in der Praxis etablierten Risikofaktoren für Gewalt an Kindern, wurde von N = 50 Beratungsstellen bundesweit erprobt und hinsichtlich seiner Praktikabilität für die Suchtberatung bewertet.

Ergebnisse: Die Literaturanalyse zeigt die Heterogenität an empirischen Befunden zu dem Zusammenhang zwischen elterlicher Sucht und Gewalt an den Kindern. Identifiziert werden können Hinweise für suchtspezifische Risikofaktoren für Kindeswohlgefährdung. Die bundesweite Befragung von Suchteinrichtungen verdeutlicht weiteren Handlungsbedarf wie auch bereits gute Umsetzungen in einigen Einrichtungen.

Diskussion: Sowohl in der Forschung als auch in der Praxis besteht aber insgesamt noch großer Bedarf, Gewalt an Kindern vor dem Hintergrund von elterlichen Suchterkrankungen zu berücksichtigen, um die Suchtberatung und Kinderschutz (noch) näher zusammen zu bringen. Für das systematische Prüfen von Hinweisen auf Kindeswohlgefährdung in Familien mit suchtkranken Elternteilen müssen von Jugend- und Suchthilfe gemeinsam Standards entwickelt werden. Screeninginstrumente wie der „Hamburger Belastungsbogen“ können für BeraterInnen in der Suchthilfe eine große Unterstützung darstellen und als Grundlage für weitere Entwicklungen dienen.