Suchttherapie 2015; 16 - S_47_04
DOI: 10.1055/s-0035-1557682

Die Bedeutung der Kostenerstattung für die Tabakentwöhnung

S Mühlig 1
  • 1Technische Universität Chemnitz

Einleitung: Nach aktuellen gesundheitsökonomischen Krankheitskostenanalysen für tabakassoziierte Krankheiten und Beeinträchtigungen belaufen sich die Gesamtkosten des Rauchens für das Gesundheitswesen und die Volkswirtschaft in Deutschland auf insgesamt 33,6 Mrd. € (direkte: 8,7 Mrd. €; indirekte: 25 Mrd. €). Maßnahmen zur Tabakkontrolle und Tabakentwöhnung führen umgekehrt zu erheblichen Verbesserungen der Mortalität und Morbidität der Gesellschaft. Zur volkswirtschaftlichen Kosteneffektivität der Tabakentwöhnung liegen international mittlerweile zahlreiche gesundheitsökonomische Studien, sekundäranalytische Kalkulationen und Metanalysen vor. Fragestellung: Welche Schlussfolgerungen ergeben sich aus den Leitlinien und der Evidenzlage für die Kostenerstattung der Tabakentwöhnung in Deutschland? Welche Kosteneffektivität der Tabakentwöhnung lässt sich für die Volkswirtschaft kalkulieren? Welches langfristige Einsparpotenzial ist für die GKV zu erwarten? Wie wirkt sich Vollkostenerstattung auf die Inanspruchnahme und den Abstinenzerfolg des individuellen Rauchers aus?

Methoden: Die Ergebnisse der S3-Leitlinienrecherchen werden um spezifische Evidenzrecherchen ergänzt und deren Ergebnisse systematisch zusammengefasst.

Ergebnisse: Maßnahmen zur Tabakkontrolle und Tabakentwöhnung besitzen ein beispielloses gesundheitsökonomisches Einsparpotenzial. Professionelle Tabakentwöhnung stellt die kosteneffektivste Behandlungsmethode in der gesamten Medizin dar. Mit Tabakentwöhnungstherapien lassen sich mehrere Lebensjahre zu Kosten von wenigen hundert Euro gewinnen. Die Nettokosteneinsparung für das Gesundheitssystem liegt bei mindestens ca. 15.000 € pro Patient (Restlebenszeit nach Rauchstopp). Die Vollfinanzierung der Tabakentwöhnung für Ptn. verdreifacht die Inanspruchnahmerate für Entwöhnungsangebote und erhöht die Abstinenzerfolgsquote um 44%. Die Befürchtung einer „Kostenlawine“ bei Übernahme der Tabakentwöhnung in den Katalog vertragsärztlicher Kassenfinanzierung erweist sich bei genauerer Betrachtung als unbegründet. Die empirische Befundlage wie die gesundheitsökonomischen Kalkulationen sprechen eindeutig dafür, die Tabakentwöhnung als Kassenleistung voll zu finanzieren, um die Gesundheit der Bevölkerung drastisch zu verbessern und mittel- bis langfristig erhebliche Kosten einzusparen. Abschließend werden konkrete Modellvorschläge für die Kassenvollfinanzierung diskutiert.