Suchttherapie 2015; 16 - S_49_02
DOI: 10.1055/s-0035-1557692

Erkenntnisse aus den niederländischen SumID- und TactIQ-Studien zu jugendlichem Substanzkonsum und geistiger Behinderung

M van Dijk 1
  • 1Tactus

Einleitung: Auch in Einrichtungen der Behindertenhilfe werden legale und illegale Rauschmittel konsumiert. Auch Jugendliche, z.T. schon in der frühen Adoleszenz gehören zur Gruppe der Konsumierenden. Die teilweise gravierenden Folgen des Konsums, das erhöhte Suchtrisiko, auftretende physische Nebenwirkungen (u.a. durch die Kombination von Medikamenten) und negative soziale bzw. gesellschaftliche Folgen sind hinreichend bekannt. Die genaue Zahl der Personen in der Jugend- und/oder Behindertenhilfe, die Suchtmittel konsumieren und Informationen zu deren Konsummustern lagen bislang nicht vor. Diese Lücke sollte durch die „Substance use and misuse in intellectual disability“-Studie (SumID) geschlossen werden.

Eine Behandlung, die eine geistige Behinderung nicht oder nicht rechtzeitig erkennt, kann unter Umständen einen Rückfall begünstigen oder den Behandlungsverlauf negativ beeinflussen. Vor diesem Hintergrund versucht die Nachfolgestudie TactIQ zunächst den Anteil der Menschen mit geistiger Behinderung an der Gesamtklientel der Suchthilfe zu ermitteln.

Methoden: Für die SumID Studie wurden in 21 Einrichtungen der Behindertenhilfe Daten von mehr als 400 Klienten im Alter zwischen zwölf und 70 Jahren mit dem Fragebogen „SumID-Q“ erhoben. Erfragt wurde die Bekanntheit von Suchtmitteln bei den Klienten und in ihrem Umfeld, vorhandenes Wissen zu Suchtmitteln und Substanzgebrauch sowie die persönliche Haltung. Das Besondere an dem SumID-Q-Instrument sind der schrittweise Aufbau der Komponenten, wodurch den Klienten Zeit gegeben wird, sich mit dem Fragebogen vertraut zu machen, die Nutzung einfacher Sprache und die visuelle Unterstützung durch die Verwendung von Bildern. Die Studie TactIQ nutzt das Instrument WAIS-III/IV und drei Screening-Tools (HASI, MoCA und WASI) in einer klinischen und in einer totalen Population innerhalb der Suchthilfe.

Ergebnisse: Die zentrale Erkenntnis aus der SumID-Studie ist, dass niederländische Klienten mit (leichter) geistiger Behinderung, ungeachtet ihrer Wohnsituation, tatsächlich Rauschmittel konsumieren. Zudem wurde mit dem SumID-Q eine valide Methode entwickelt, um mit den Klienten ins Gespräch zu kommen und Erkenntnisse über deren Konsumverhalten zu erlangen.

Die ersten Resultate von TactIQ zeigen, dass fast ein Drittel der Patienten in Suchtkliniken einen IQ von unter 85 aufweist.

Diskussion: Für die Zusammenarbeit zwischen der Sucht- und Behindertenhilfe besteht Verbesserungsbedarf, da die Betreuung von Menschen mit (leichter) geistiger Behinderung und Suchtproblemen zurzeit nicht optimal gewährleistet ist. Während in der Suchthilfe, die geistige Behinderung von Jugendlichen regelmäßig nicht diagnostiziert und eine optimale Behandlung somit verhindert wird, ist in der Behindertenhilfe der Suchtmittelkonsum der Klienten ein großes Problem und Präventionsmaßnahmen sollten gefördert werden.