Suchttherapie 2015; 16 - P_14
DOI: 10.1055/s-0035-1557708

Craving, Suchtmittel- und Selbstwirksamkeitserwartung als wesentliche Einflussfaktoren für Lebensqualität und Therapieerfolg in stationärer Entwöhnungsbehandlung

D Hinze-Selch 1, P Weitzmann 1, I Englert 1, R Nebe 1, C Rüping 1, K Leiber 1
  • 1Fachklinik St. Marienstift Dammer Berge, Fachkliniken St. Marien-St. Vitus

Einleitung: Stationäre Suchtentwöhnungsbehandlung verwendet Abstinenz als Erfolgsmaß. Abstinenz an sich ist jedoch ein breites Paradigma, das vielfältige biopsychosoziale Fähigkeiten und Verhaltenskonstrukte beinhaltet und für diesen Erfolg als Veränderungsanforderung voraussetzt. Es gibt praktisch keine Daten zu notwendigen Einflussfaktoren für diesen komplexen Therapieerfolg. So haben wir hypostasiert, dass Suchtdynamik bei Aufnahme einerseits sowie Selbstwirksamkeitserwartung andererseits, bedeutsam sind für die empfundene Lebensqualität bei Aufnahme und Entlassung sowie hohe Selbstwirksamkeitserwartungen den Therapieerfolg im Sinne der Suchtdynamik positiv beeinflussen.

Methoden: In unserer Fachklinik St. Marienstift Dammer Berge (legale Suchtmittel/Glücksspiel, gendersensibel Männer) wurden die Routinedatensätze aller Aufnahmebehandlungsfälle über 3 Monate mit den entsprechenden Entlassungsdatensätzen ausgewertet (explorative Korrelationsanalysen nach Spearman und Pearson, zweiseitig, berichtet wird r Pearson, p < 0,05, statistischer Trend p < 0,1, SPSS/PC). Als Instrumente wurden für Suchtschwere AUDIT, CUDIT, für Suchtdynamik MaCS, SuWiE (Potthast et al., 2014), für Selbstwirksamkeitswahrnehmung SWE (Schwarzer & Jerusalem, 1999) und für Lebensqualität HEALTH-49 (Rabung et al., 2009). verwendet.

Ergebnisse: Es wurden 98 Datensätze eingeschlossen. Suchtschwere korrelierte signifikant positiv mit Suchtdynamik (r = 0,296/0,325), jedoch lediglich mit der Unterskala E (Aktivität/Partizipation) des Health-49 negativ (r =-0,241). Suchtdynamik korrelierte signifikant positiv untereinander (r = 0,515) sowie signifikant negativ mit allen Unterskalen des Health-49 außer F (soziale Unterstützung, r = –0,319 bis –0,558). Selbstwirksamkeitserwartung korrelierte nicht mit Suchtschwere, sondern nur mit Suchtdynamik signifikant negativ (r =–0,243/–0,278) sowie positiv mit allen Unterskalen des HEALTH-49 außer F-Skalen (soziale Unterstützung/Belastung, r = 0,183 bis 0,359). Suchtschwere bei Aufnahme zeigte keine signifikanten Korrelationen mit Suchtdynamik und Selbstwirksamkeitserwartung bei Entlassung, weiterhin im Trend negativ mit E-Skala Health-49 (r =–0,202) und signifikant negativ mit der A-Skala (psychische/somatische Beschwerden, r =–0,254). Suchtdynamik bei Aufnahme korrelierte noch grenzwertig signifikant mit diesen Parametern bei Entlassung (r = 0,206 bis 0,253) sowie noch signifikant/im Trend differenziell negativ mit HEALTH-49 Unterscores (r =–0,180 bis –0,316). Selbstwirksamkeitswahrnehmung bei Aufnahme korrelierte signifikant positiv mit sich selbst bei Entlassung (r = 0,250), so auch mit der Suchtdynamik (r = 344) sowie mit HEALTH-49 B (psychisches Wohlbefinden r = 0,346).

Diskussion: Diese explorative Datenanalyse zeigt, dass die alleinige Suchtdiagnose/-schwere bei Aufnahme kein wesentlicher Parameter ist für Lebensqualität und Veränderungserfolg im Therapieverlauf. Lebensqualität interagiert vielmehr wesentlich mit Suchtdynamik. Selbstwirksamkeitserwartung spielt eine bedeutsame Rolle für Lebensqualität und Veränderungserfolg in der stationären Suchtbehandlung. Wir sehen uns daher ermutigt zu weiterer, differenzierterer Datenanalyse. Denn wenn wir wesentliche Einflussfaktoren für Veränderungserfolg der Patienten besser kennen, können wir gezielter Therapiebausteine einsetzen. Abstinenz an sich sollten wir deutlich weiter differenzieren, um Therapie und deren Erfolg realistisch zu gestalten und abzubilden.