Balint Journal 2015; 16(03): 80-83
DOI: 10.1055/s-0035-1559661
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Sprechende Medizin im Sprechzimmer –

Psychosomatische Grundkenntnisse fördern die Kommunikative Kompetenz und die Zufriedenheit von Ärzten 1 Narrative-based Medicine in the Consultation RoomBasic Knowledge in Psychosomatic Supports the Doctors’ Communicative Competence and their Professional Satisfaction
P. E. Frevert
Further Information

Publication History

Publication Date:
21 October 2015 (online)

Zusammenfassung

Balintgruppenarbeit dient nicht nur der ärztlichen Qualitätssicherung durch Selbstevaluation, sondern eignet sich in besonderem Maße für die Professionsentwicklung, indem die Selbst- und Fremdbeobachtung zur Beziehungsdiagnostik herangezogen werden kann [1]. Damit wird die „sprechende Medizin“ in erster Linie zur „zuhörenden Medizin“, die es dem Arzt ermöglicht, hinter der Präsentation des Symptoms seines Patienten ein Beziehungsangebot zu erkennen und mit ihm nicht nur die somatische, sondern auch die damit verbundenen affektiven und lebensgeschichtlichen Dimensionen zu explorieren. Die kommunikative Kompetenz ist in der Regel nicht Teil der medizinischen Ausbildung und wird in vielen medizinischen Weiterbildungsangeboten kaum berücksichtigt. Wenn Ärzte, die keine psychosomatische oder psychotherapeutische Spezialisierung aufweisen, sich für eine ganzheitliche Herangehensweise interessieren, erfahren sie, wie eine gute ärztliche Behandlung immer eine gute ärztliche Kommunikation voraussetzt. Daraus ergibt sich für Ärzte mehr Zufriedenheit mit dem Arztberuf. Die Psychosomatische Grundversorgung ist ein solcher Ansatz, der es Haus- und Fachärzten ermöglicht, kompetenter mit Patienten zu sprechen. Die Balintgruppenarbeit ist als Bestandteil für die Psychosomatische Grundversorgung nicht nur gesetzlich vorgeschrieben, Psychosomatische Grundversorgung ist letztendlich selbst Balintgruppenarbeit im weitesten Sinne.

Abstract

Working with Balint-groups is not only important for the medical quality assurance via self-evaluation but is also very suitable for the development of the profession by using the observations of the self and of others for the diagnostic of relationship. In this way narrative based-medicine is turned into a mainly “listening-based medicine” which allows the practitioner to recognize not only the presented symptoms, but also its somatic dimension in association with the affective and biographical dimension which offers the possibility to work on the relationship. The communicative competence is usually not part of the medical education and is not taken into consideration in most of the medical advanced training opportunities. If doctors, who do not have psychosomatic or psychotherapeutic specialization, are looking for a holistic approach, they experience that a good medical treatment always requires a good medical communication. This results in a greater satisfaction with the medical profession. The psychosomatic primary care represents such an approach, helping family doctors and specialists to communicate in a more qualified manner with their patients. Balint-groups as an element of psychosomatic basic care are not only prescribed by law, in the end Psychosomatic Basic Care itself turns out to be Balint-groups work in the broadest sense of the term.

1 Vor 27 Jahren wurde in Hessen die Psychosomatische Grundversorgung als regelmäßige Fortbildungsveranstaltung von Hausärzten und Fachärzten im Rahmen der oben genannten Akademie durch W. Schüffel, dem Nestor dieses Faches, mit L. Rackwitz, G. Maaß und U. Brucks † unter den ehemaligen Leitern der Akademie H. Kerger †, J. Rheindorf und F. Anschütz † und später W. Loch eingeführt. Der Autor nahm 1988 als Teilnehmer an dem ersten Kurs teil. 2003 wurde er Dozent dieses Curriculums und übernahm 2012 nach dem Ausscheiden von W. Schüffel die wissenschaftliche Leitung unter der Co-Leitung von W. Merkle. Inzwischen wird diese sehr erfolgreiche Fortbildungsveranstaltung zusammen mit dem Team aus den Dozentinnen und Dozenten R. Adam, D. Atmanspacher, F. Heidler, A. Schoeppner, R. Stolte und T. Wirth fortgeführt und weiterentwickelt. Der vorliegende Beitrag ist eine überarbeitete Fassung eines Vortrages, der ursprünglich auf der Tagung „Bad Nauheimer Interdisziplinäre Tage“ unter der Überschrift „Entwicklung der sprechenden Medizin in Deutschland“ der Akademie für Ärztliche Fort- und Weiterbildung der Hessischen Landesärztekammer am 01.11.2014 gehalten werden sollte.


 
  • Literatur

  • 1 Kornelia Rappe-Giesecke Vorwärts zu den Wurzeln – Balint-Gruppenarbeit aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht. Balint-Journal 2000; 2: 36-42 hier S. 38/9
  • 2 Wirsching Psychosomatische Medizin . Konzepte, Krankheitsbilder Therapien. 2. Aufl München: Verlag C. H. Beck; 2003
  • 3 Sprechende Medizin Wie Ärzte mit Patienten reden Autorin: Sabine Stahl Sendung: Donnerstag, 21.11.2013, 8.30 Uhr, SWR 2
  • 4 Ruegg JC. Gehirn, Psyche und Körper. Neurobiologie von Psychosomatik und Psychotherapie. 3 Aufl. Stuttgart: Schattauer; 2006: 144
  • 5 BKK Gesundheitsreport. 2012 Deutsche Rentenversicherung Bund; BMAS In: //psyga.info/fileadmin/user_upload/Presse/Daten-_und_Faktenblatt_psyGA.pdf
  • 6 Jacobi F. TU Dresden: Nehmen psychische Störungen zu?. reportpsychologie 2009; 34: 16-28
  • 7 Schneider F, Niebeling W. Psychische Erkrankungen in der Hausarztpraxis. Heidelberg: Springer; 2008
  • 8 Die Welt 05.06.2009, Hausarzt übersieht psychische Probleme häufig http://www.welt.de/gesundheit/article3678598/Hausarzt-uebersieht-psychische-Probleme-haeufig.html
  • 9 Rabe-Menssen C. Zum Problem der niedrigen Erkennungsrate psychischer Erkrankungen in der hausärztlichen Versorgung. Psychotherapie Aktuell 2009; 2: 16-19
  • 10 Kruse J, Schmitz N, Wöller W, Heckrath C, Tress W. Warum übersieht der Hausarzt die psychischen Störungen seiner Patienten?. Psychother Psych Med 2004; 54: 45-51
  • 11 Bucka-Lassen E. Das schwere Gespräch . Einschneidende Diagnosen menschlich vermitteln. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag; 2002
  • 12 Petzold ER. Das Arbeitsbündnis mit dem Patienten. In: Luban-Plozza B, Otten H, Petzold UER. Grundlagen der Balintarbeit. Beziehungsdiagnostik und -therapie. Leinfelden-Echterdingen; Bonz: 1998: 80-84
  • 13 Bundespsychotherapeutenkammer am 04. Mai 2012: Anteil betrieblicher Fehltage durch psychische Erkrankungen verdoppelt. Antwort der Bundesregierung auf Kleine Anfrage der LINKEN In: http://www.bptk.de/aktuell/einzelseite/artikel/anteil-betri.html
  • 14 Kruse W, Cierpka M, Wirsching M, Saß H. Psychosomatische Grundversorung: Erheblicher Nutzen. Dtsch Arztebl 2001; 98 A-2396/B-2046/C-1919
  • 15 Schüffel W, Merkle W, Frevert P, Rackwitz L, Atmanspacher D, Schoeppner A. Freude haben an der Fortbildung. Psychosomatische Grundversorgung. Bewegendes Seminar, Symptomzentrierung und Sinnfindung. Hessisches Ärzteblatt 2008; 2: 88-90
  • 16 Curriculum Psychosomatische Grundversorgung – Basisdiagnostik und Basisversorgung bei Patienten mit psychischen und psychosomatischen Störungen einschließlich Aspekte der Qualitätssicherung – 2. Auflage (Hrsg.). Bundesärztekammer ISSN 0945-1951 NE: Texte und Materialien der Bundesärztekammer zur Fortbildung und Weiterbildung, Band 15 2001
  • 17 Petzold ER. Der Purzelbaum: Ein Bericht über die 22. Wartburggespräche. Balint-Journal 2014; 15: 91-93
  • 18 Schüffel W. Das Erstgespräch aus ärztlich-phänomenologischer Sicht: Symptomzentriert. Psychodynamische Psychotherapie (PDP) 2005; 4: 68-84
  • 19 Schüffel W. Medizin ist Bewegung und Atmen. Vom Elend in die Armut und wie aus Wüste Würde wird. Halle: Projekte-Verlag Cornelius GmbH; 2009: 261
  • 20 Trenkel A. Das ärztliche Gespräch bei Balint – Versuch einer Wesensbestimmung des therapeutischen Dialogs. Luban-Plozza B, Otten H, Petzold UER. Grundlagen der Balintarbeit. Beziehungsdiagnostik und -therapie. Leinfelden-Echterdingen; Bonz: 1998: 54-57