Gesundheitswesen 2015; 77 - A110
DOI: 10.1055/s-0035-1563066

Versorgungsforschung braucht Sozialmedizin: dargestellt am Beispiel von Daten des BARMER GEK-Pflegereport 2013 zu „Reha vor und bei Pflege“

N Lübke 1
  • 1Kompetenz-Centrum Geriatrie des GKV-Spitzenverbandes und der Gemeinschaft der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung, Hamburg

Hintergrund: Immer wieder wird diskutiert, ob der sozialgesetzliche Anspruch auf Reha vor (und bei/nach) Pflege hinreichend umgesetzt wird. Der BARMER GEK-Pflegereport 2013 hat anhand von Routinedaten (RD) eigener Versicherter aus 2011 ermittelt, dass rund 15% der Pflegebedürftigen > 65J. im Jahr vor Pflegeeintritt mindestens eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme erhalten haben, im nachfolgenden Jahr immer noch 7%. Methode: Eine Analyse dieser Berechnungen unter Berücksichtigung praktischer sozialmedizinischer Verfahrensaspekte, insbesondere der Tatsache, dass das in RD erhobene Datum des Leistungseintritts in die Pflegeversicherung regelhaft deutlich vor dem Zeitpunkt der MDK-Begutachtung für die Pflegeeinstufung liegt, zeigt, dass hierbei der Anteil medizinischer Rehabilitationsmaßnahmen „vor“ Pflegeeintritt unter-, der Anteil von Rehabilitationsmaßnahmen „bei/nach“ Pflegeeintritt aber auch deutlich überschätzt wird. Ferner berücksichtigt die Analyse nicht, dass aufgrund landesspezifisch unterschiedlicher Strukturierung der geriatrischen Rehabilitation in einem Teil der Bundesländer geriatrische Rehabilitation ausschließlich im Krankenhaus als geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung erbracht wird. Ergebnis: Berücksichtigt man in den Analysen die zeitliche Lücke zwischen Begutachtung für die Pflegeeinstufung und dem rückwirkenden Leistungseintritt und überschlägt man aufgrund vorliegender Publikationen zum Aufkommen geriatrisch-frührehabilitativer Komplexbehandlungen mit nachfolgender Pflegeeinstufung binnen eines Jahres (Meinck, Lübke, Polak, Rehabilitation, 2014.53:74 – 80) den zusätzlichen Anteil in dieser Form „vor“ Pflegeeintritt erbrachter Rehabilitation, ist von einer Durchführung komplexer Rehabilitationsmaßnahmen im Jahr vor Pflegeeinstufung in Höhe von ca. 27 – 30% (und damit einer fast doppelt so hohen Quote wie im Pflegereport 2013 ausgewiesen), im Jahr nach der Pflegeeinstufung allerdings nur noch von 3,8% (und damit nur noch halb so viel Rehabilitationsmaßnahmen wie bei alters- und morbiditätsadjustierten Nichtpflegebedürftigen gemäß SGB XI) auszugehen. Hierbei noch nicht berücksichtigt sind Versicherte, bei denen die Rehabilitationsmaßnahmen einen Einritt in den Leistungsbezug der Pflegeversicherung verhindern konnten. Schlussfolgerung: Ein konstruktives, möglichst frühzeitiges Zusammenwirken von Versorgungsforschung und sozialmedizinischer Expertise verbessert die Aussagekraft entsprechender Forschungsergebnisse. Auf entsprechende Rücksprache mit den Autoren des Reports fanden die Hinweise Niederschlag in weiteren Auswertungen im BARMER GEK Pflegereport 2014.

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