Gesundheitswesen 2015; 77 - A126
DOI: 10.1055/s-0035-1563082

Inanspruchnahme Zentraler Notaufnahmen: Qualitative Erhebung der Motivation von Patientinnen und Patienten mit nichtdringlichem Behandlungsbedarf

M Schmiedhofer 1, J Searle 1, A Slagman 1, M Möckel 1
  • 1Charité Universitätsmedizin, Arbeitsbereich Notfallmedizin/Rettungsstellen, Berlin

Hintergrund: Die stetig steigende Inanspruchnahme der Notaufnahmen durch Patientinnen und Patienten mit akut-, aber nicht notfallmedizinischem Behandlungsbedarf erfordert eine Anpassung der Versorgungsstrukturen. Als mögliche Ursache wird die unzureichende Wahrnehmung des Sicherstellungsauftrages der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte diskutiert. Allerdings werden Notaufnahmen nicht nur außerhalb von Sprechstundenzeiten, sondern während aller Tageszeiten an allen Wochentagen von Patientinnen und Patienten mit nichtdringlichem Behandlungsbedarf in Anspruch genommen. Zur bedarfsgerechten Patientenversorgung ist die genaue Kenntnis der Gründe zwingend erforderlich. Vor diesem Hintergrund ist das Ziel der vorliegenden Arbeit die explorative Erforschung der subjektiven Gründe des Aufsuchens der Notaufnahmen aus Patientenperspektive. Methodik: Es wurde eine qualitative leitfadengestützte Studie durchgeführt. 40 ambulante Patientinnen und Patienten mit laut medizinischer Ersteinschätzung nichtdringlichem Behandlungsbedarf wurden an zwei Rettungsstellen der Charité Berlin zum Grund ihrer Inanspruchnahme der Rettungsstelle befragt. Die Auswertung erfolgte mittels Qualitativer Inhaltsanalyse unterstützt durch die Software MAXQDA®11. Ergebnisse: Die Substitution nicht oder spät verfügbarer Haus- und Facharzttermine war nur für einen Teil der Befragten entscheidend für das Aufsuchen einer Notaufnahme. Mehrheitlich gaben sie als Hauptmotiv Zeitautonomie, den Qualitätsstandard eines universitären Krankenhauses sowie die Möglichkeit multidisziplinärer Untersuchungen während eines einzigen Termins an. Zur Mit- oder Weiterbehandlung sowie zur Überbrückung von Wartezeiten wurden Interviewteilnehmende auch von ambulanten Arztpraxen auf die Ressourcen der Rettungsstellen verwiesen. Patientinnen und Patienten mit erhöhter Aufmerksamkeit gegenüber körperlichen Beschwerden oder auf der Suche nach Abhilfe eines biomedizinisch noch nicht definierten gesundheitlichen Problems suchten die ZNA komplementär zur Haus- oder Facharztversorgung auf. Diskussion: Die Interviewdaten zeigen eine eigenständige sektorenüberschreitende Funktion der Notaufnahmen für ambulante Behandlungen auf. Es ist anzunehmen, dass auch eine konsequentere Wahrnehmung des Sicherstellungsauftrages der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte die Anforderungen an die Rettungsstellen nicht auf die Versorgung medizinischer Notfälle zurückführen wird. Zur dauerhaften Sicherstellung der medizinischen Qualität für Patienten aller Dringlichkeitsstufen ist eine den Anforderungen entsprechende Struktur der Notaufnahmen erforderlich.

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