Geburtshilfe Frauenheilkd 2016; 76 - V1
DOI: 10.1055/s-0036-1571363

Armut und Partnerschaftsprobleme als Risikoindikator im Babylotse Plus Screening

C Klapp 1, M Mertgen 1, S Fisch 1, R Bergmann 1, T Keller 1
  • 1Klinik für Geburtsmedizin, Charité Universitätsmedizin Berlin

Einleitung: Babylotse Plus der Charité ist ein Modellprojekt des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen. Ziel ist die früh- und damit rechtzeitige Identifizierung von Überforderung und individuellem Unterstützungsbedarf junger Familien rund um die Geburt. Dies geschieht durch einen systematischen, niederschwelligen, nicht stigmatisierenden Zugang. Passgenaue Frühe Hilfen werden vermittelt und deren Annahme und Wirksamkeit untersucht. Im Babylotse Plus Screening werden bestehende Belastungsfaktoren untersucht.

Fragestellung: Erhöhen auf Armut und Partnerschaftsprobleme hinweisende Items das Risiko für im Referenzstandard detektierten Unterstützungsbedarf (im Sinne Früher Hilfen)?

Methoden: Das Babylotse Plus Screening auf psychosoziale Risikoindikatoren wird als zeitlich begrenzte Vollerhebung aller Geburten zweier Geburtskliniken der Charité (01.01.13 – 31.08.13) durchgeführt. Der Referenzstandard ist die Expertenmeinung der Babylotsen (Sozialpädagogen) nach standardisiertem Babylotse Plus Erstgespräch (diagnostisches Interview; Ausschlusskriterien sind primäre Sozialdienstanbindung, unzureichende Deutschkenntnis, Ablehnung des Kontaktes zu Babylotsen/der Studienteilnahme sowie mangelnde Erreichbarkeit der Eltern).

Ergebnisse: Von 2344 Familien mit Neugeborenen konnten 279 als Studienteilnehmer eingeschlossen werden, 215 mit einem „auffälligem“ Score (≥3 Punkte) und eine Zufallsauswahl von 64 mit „unauffälligem“ Score (0 – 3). Während die Spezifität des Screeninginstruments (33,0%, 95%-KI: 30,5 – 33,5) schwach war, fiel die Sensitivität (98,9%, 95%-KI: 93,4 – 99,9) hervorragend aus. Risikoindikatoren für Unterstützungsbedarf waren vor allem:

  • Partnerschaftsprobleme (OR 9,3, 95%-KI: 2,9 – 29,5, p = 0,001);

  • wirtschaftliche Probleme (OR 3,5, 95%-KI:1,8 – 6,7, p < 0,001);

  • Probleme bei der Allbewältigung (OR 3,4, 95%-KI: 1,5 – 7,6, p = 0,003).

Schlussfolgerungen: Der Screeningbogen konnte fast alle Familien mit Unterstützungsbedarf identifizieren und deren Überleitung zu „Frühen Hilfen” ermöglichen. Es wurden jedoch viele risikofreie Familien durch das Screening fälschlicherweise positiv getestet, was akzeptiert werden kann, da ein falsch positives Ergebnis nur das ausführliche Babylotsen-Gespräch zur Folge hat.