Geburtshilfe Frauenheilkd 2016; 76 - V17
DOI: 10.1055/s-0036-1571379

Unsichtbare Kinder – Vom Umgang mit und den Folgen von Schwangerschaftsabbrüchen

H Wolter 1
  • 1Regensburg

Jedes Jahr finden in Deutschland etwa 100.000 Schwangerschaftsabbrüche statt. Davon sind nur vereinzelte auf eine kriminologische Indikation und etwa 3.500 auf eine medizinische Indikation zurückzuführen. Alle anderen beruhen auf den der Beratungsregel nach §217 zuzuordnenden Gründen. Während Frauen und Familien mit einem Abbruch aufgrund pränataldiagnostischer Befunde bereits heute in vielen Kliniken zumindest ansatzweise eine ganzheitliche Unterstützung erfahren, existiert für andere, frühe Schwangerschaftsabbrüche kein begleitendes Setting. Dies stellt für Betroffene in schwieriger persönlicher Lage eine zusätzliche Belastung dar. Der Vortrag thematisiert auf der Basis qualitativer Interviews mit 16 Betroffenen die gesellschaftliche und fachliche Relevanz des Themas. Der Fokus liegt dabei zum Einen auf dem Erleben des Entscheidungsprozesses und des Abbruchs selbst. Zum Anderen werden der Umgang mit Schuldfragen in verschiedenen Dimensionen und die unmittelbar sowie mittel- bzw. langfristig von Betroffenen erlebten körperlichen und psychischen Folgen angesprochen. Ressourcen in der Verarbeitung eines Schwangerschaftsabbruchs finden ebenfalls Beachtung. Darüber hinaus werden exemplarisch von Betroffenen dargestellte Defizite und mögliche Potenziale einer professionellen Begleitung aufgezeigt. Abschließend werden aus den Ergebnissen der Forschungsarbeit konkrete Ziele für den bewussten Umgang und das beruflich kompetente Handeln von GynäkologInnen und anderen Fachpersonen im Umgang mit Frauen und Familien vor, während und nach einem Schwangerschaftsabbruch abgeleitet. Weitere Aspekte werden in der Publikation „Mein unsichtbares Kind“ angesprochen. In Bezug auf das Tagungsthema „Wundertüte Elternschaft“ lässt sich mit den Ergebnissen der Befragung verdeutlichen, dass viele Frauen und Familien trotz Ambivalenz und letztlicher Termination der Schwangerschaft ein bereits auf der Schwangerschaft beruhendes Elternsein empfinden und im weiteren Verlauf mit ihrem „unsichtbaren Kind“ leben.