Geburtshilfe Frauenheilkd 2016; 76 - A10
DOI: 10.1055/s-0036-1571407

Thorakale lebensbedrohliche mütterliche Erkrankungen in der Schwangerschaft

W Henrich 1
  • 1Kliniken für Geburtsmedizin Campus Virchow-Klinikum und Campus Mitte, Charité Universitätsmedizin Berlin

Zu den Ursachen lebensbedrohlicher mütterlicher Todesfälle zählen in erster Linie die 1. peripartale Blutung, 2. Thrombembolie, 3. schwere Prä-Eklampsie und deren Komplikationen (HELLP, Eklampsie und intrazerebrale Blutung) und 4. A Streptokokken-Sepsis bzw. das Toxic Shock Syndrome.

Dyspnoe und ausstrahlende Brustschmerzen in Schulter, Oberbauch, Arme oder zwischen den Schulterblättern können initiale Beschwerden lebensbedrohlicher thorakaler Notfälle sein. Undiagnostiziert ist das Aortenaneurysma mit konsekutiver Aortendissektion häufig fatal endend. Mehr als 25% der Pat. weisen keine Risikofaktoren auf und beklagen häufig einen einschneidenden Brustschmerz. Besonderes Augenmerk gilt Schwangeren mit präexistentem Hypertonus, Marfan-, Ehler-Danlos-, Turner-Loeys-Dietz-Syndrom, angeborener bikuspider Aortenklappe, Kokainabusus und Autoimmunerkrankung. Selbst bei ausgedehnter Dissektion können der auskultatorische Befund, Blutdruck, Puls, Laborwerte incl. BGA und EKG unauffällig sein. Das wichtigste rasch verfügbare bildgebende Verfahren ist die Echokardiografie. MRT und CT konkretisieren das Ausmaß der Dissektion. Die frühzeitige Operation bei der am häufigsten vorkommenden Typ A-Dissektion (von der Aortenwurzel ausgehend) – in höherem Gestationsalter mit Sectio in gleicher Sitzung- führt zu Überlebenschancen von > 75%. Die wichtigste Differentialdiagnose bei akuten thorakalen Beschwerden ist die Lungenembolie. Tachypnoe, Dyspnoe, Pleuraschmerz, Zyanose, gestaute Halsvenen, Tachykardie und Blutdruckabfall sind die typischen Symptome. Entsteht die Thrombose meist in den linksseitigen Bein/Beckenvenen am Ende des 1. Trimenon und zw. 24 – 36 SSW, tritt die Embolie in der Regel peripartal oder im Wochenbett auf. Durch Hyperventilation kommt es zur Alkalose. D-dimere im Serum sind wenig hilfreich, da sie in der Schwangerschaft häufig erhöht sind. Schlüssel zur raschen Einschätzung des Schweregrades sind die BGA und die Echokardiografie mit Nachweis einer Rechtsherzbelastung. Das EKG hilft zur differentialdiagnostischen Abklärung. Eine sehr hohe Sensitivität erreicht das Spiral-CT. Zu den Erstmassnahmen gehört die Gabe von Sauerstoff und Heparin. Abzugrenzen ist das akute Koronarsyndrom, welches mit pectanginösen oft belastungsabhängigen Beschwerden, Schmerzausstrahlung und besonders bei Schwangeren mit Hypertonus, Fettstoffwechselstörungen und Nikotinabusus auftreten kann. EKG, Troponin T, Herzenzyme, BGA und CRP gehören zur Diagnostik. Mittels Echokardiografie können Wandbewegungsstörungen, eine Valvulopathie und eine Perikarditis ausgeschlossen werden. Im Akutfall eines schweren Koronarsyndroms ist eine Koronarangiografie mit Interventionsbereitschaft indiziert.

Der plötzliche Schulterschmerz mit Vermeidung der Seitenlage auf der betroffenen Seite und zunehmender Dyspnoe und Zyanose charakterisieren einen Spontanpneumothorax. Die Diagnose wird perkutorisch, auskultatorisch und im Rö-Thorax gestellt. Zur Therapie gehören Sauerstoff, Analgetika und die Bülaudrainage.

Dyspnoe, Gewichtszunahme und Ödembildung können auch Symptome eines Lungenödems sein. Peripartale Risikofaktoren sind β-Sympathomimetika zur Tokolyse in Kombination mit Corticoiden z.B. bei Mehrlingen. Auch Schwangere mit einem fetalen Hydrops können ein Lungenödem entwickeln. Hier kann es durch Permeabilitätssteigerung zum sog. Mirrorsyndrom kommen. Es bezeichnet den „maternalen Hydrops“ durch Wasseransammlung im Weichteilgewebe und in präformierten Körperhöhlen als spiegelbildliches Auftreten bei fetalem Hydrops. Auskultation, Röntgenthorax und Echokardiografie mit Nachweis einer biventrikulären Herzbelastung sind richtungsweisend. Die Therapie besteht meist in der zügigen Beendigung der Schwangerschaft. Lebensbedrohlich kann auch eine postpartale Kardiomyopathie sein, die häufig wegen unspezifischer Symptome wie Dyspnoe, Leistungsminderung und Ödeme verkannt wird und ebenfalls am besten mittels Echokardiografie ausgeschlossen werden kann. Zur Behandlung kommen Prolaktinantagonisten zum Einsatz. Kommt es bei einer Schwangeren jenseits von 24 SSW durch einen Kreislaustillstand zur Reanimation, so erhöht die unverzügliche Notsectio vor Ort nach 4 – 5 min frustraner Wiederbelebung die Überlebenschancen für Mutter und Kind.